Handwerk zwischen Sägespänen und Benzingeruch

Die Kettensäge heult auf, Sägespäne schießen durch die Luft, es riecht nach Holz und Benzin. Mit jedem Schnitt verändert sich das Holzstück, nimmt Form an, zuerst grob, dann immer feiner – bis aus dem einstigen Baum ein Kunstwerk wird.
Dass Andreas Leitner (47) jemals wieder eine Kettensäge freiwillig in die Hand nimmt, glaubte vor 15 Jahren niemand. Er hat sich bei einem Unfall im Wald in die Hand geschnitten. Jahrelang hat er das Werkzeug gemieden. Schließlich wurde das Motorsägenschnitzen für ihn zur Therapie – jetzt sind die Kettensägen bei ihm nicht nur zur Waldarbeit im Einsatz, sondern zum Schaffen einzigartiger Kunstwerken. Aus Baumstämmen lässt er bärtige Gesichter hervorschauen, Eulen oder Adler fliegen.

Für Andreas Leitner sichert die Kunst seine Existenz als Landwirt.
"Bekannt bin ich für meine Bären", erzählt der Landwirt aus Hofamt Priel (Bezirk Melk) – "Bärnsagla" ist sein Spitzname. Angefangen hat allerdings alles mit einem Igel. "Meine Tochter und ich haben auf Youtube ein Video geschaut, wie man ein Steak zubereitet, und dann kam eine Werbung über Speedcarving (Anm.: schnelles Schnitzen mit der Motorsäge). Danach wollte sie unbedingt, dass ich ihr einen Igel mache", blickt er zurück. Den Wunsch wollte er ihr erfüllen und startete nach all den Jahren erstmals wieder die Kettensäge. Heute ist sie nicht mehr wegzudenken, sein Auskommen als Landwirt sichert er mit seiner Kunst ab.
14 Motorsägen
Im Schnitzen ist Leitner im Gegensatz zu seinem Waldviertler Kollegen Markus Weigmann aus Raisdorf im Bezirk Horn ein Spätberufener. Weigmann (42) hat damit bereits als 12-Jähriger begonnen. "In meinem Heimatort gab es einen Schnitzer, dem habe ich immer zugesehen, schließlich haben mir meine Eltern ein Schnitzeisenset geschenkt“. Das Schnitzen wurde zu seiner Leidenschaft, 2015 machte er eine Ausbildung bei einem Bildhauermeister in Kärnten.
Fünf Jahre später erweiterte der Anästhesiepfleger seine Schnitzeisensammlung um Motorsägen – 14 Stück sind es nun, die er zum Schnitzen verwendet. "Das Grobe mache ich mit der Motorsäge, den Feinschliff mit den Schnitzeisen", sagt er.
Seine liebsten Motive sind Wildtiere, hat er ein Holzstück vor sich studiert er zunächst die Anatomie des Tieres, das daraus werden soll, danach viele Bilder von Details, später zeichnet er grobe Umrisse aufs Holz und legt los. Eine Gams aus seiner Hand hat durchaus Lebensgröße. Weigmann hat keine einzige Figur bei sich zu Hause. "Würde ich daran vorbeilaufen, müsste ich jedes Mal das Schnitzeisen in die Hand nehmen und etwas an den Details verändern. Für mich ist eine Figur nie fertig", betont der Künstler.
Szene
Fast alle seiner Stücke sind Auftragswerke. Anders als Andreas Leitner hat Weigmann keinen eigenen Wald, wo er sich am Holz bedienen kann, sondern bekommt es von Personen aus der Region. „Es hat sich herumgesprochen, dass ich es brauchen kann, und so werde ich angerufen, wenn jemand denkt, etwas Passendes für mich zu haben“.
Die beiden Motorsägenschnitzkünstler haben sich in Österreich einen Namen gemacht. "Besonders im Osten ist Schnitzen nicht sehr verbreitet, da gibt es durchaus Ausbaupotenzial", meint Leitner.
Generell schaut die kleine überschaubare heimische Szene gerne nach Deutschland. "Dort ist man viel weiter, da gibt es jedes Wochenende ein Event, wo die Kunst im Vordergrund steht", meint Markus Weigmann. In Österreich sei das anders, da sei das Schnitzen mit der Motorsäge eine Showeinlage bei einem anderen Event. "Es ist laut, es ist spektakulär, es erregt Aufmerksamkeit und in weniger als 30 Minuten hat man ein anschauliches Ergebnis", so Leitner.
Bühne frei
Dass die Kunst nur Nebensache ist, soll sich ändern – deshalb haben sie ein Festival initiiert, bei dem sich alles um die Motorsägenschnitzkunst dreht: Vom 31. Oktober bis zum 2. November findet das "Holz und Herz Motorsägen-Kunstfest" in Peršlák (CZ) direkt an der Grenze zum Waldviertel bei Rottal (Bezirk Gmünd) statt. 19 Künstlerinnen und Künstler aus sechs Nationen werden vor Ort sein, man kann ihnen bei der Arbeit zuschauen und zum Teil bei Workshops von ihnen lernen (Vorerfahrung und Schutzausrüstung notwendig).
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