Pröll warnt vor einer Dreierkoalition
Die Spannung war kurz vor 17 Uhr im Büro von Erwin Pröll greifbar, als der Landeshauptmann gemeinsam mit seinem ÖVP-Regierungsteam auf die erste Hochrechnung der Nationalratswahl wartete. Die präsentierten Zahlen konnten die Mienen nicht wirklich aufhellen. Zwar bleibt die ÖVP mit 30,4 Prozent die stärkste Kraft im Bundesland, doch sie verliert 1,8 Prozent (zu den NÖ-Ergebnissen). „Das ist immerhin deutlich weniger als in anderen Bundesländern. Und in unseren Hochburgen verlieren wir nicht so stark wie die SPÖ“, sagt ein Sympathisant.
Wenig später spricht der ÖVP-Chef klare Worte: „Trotz mehr Konkurrenz wurde die große Koalition gerade noch gewählt. Das war ein Warnschuss und zeigt, dass die Art und Weise wie regiert wurde, nicht optimal war. So wie bisher in Streit, Zank und Hader kann es nicht weitergehen.“ Pröll findet aber auch sofort Positives: „Wir haben den Abstand zur SPÖ ausgebaut und hätte ganz Österreich so gewählt wie Niederösterreich, würde der Bundeskanzler Michael Spindelegger heißen.“
Auffallend ist, dass die ÖVP in ihrem Kernland in den ländlichen Gebieten kaum an Kraft eingebüßt hat. Hingegen gab es in den größeren Städten zum Teil deutliche Rückgänge: In Mödling gab es ein Minus von 2,52 Prozent, in Klosterneuburg waren es 3,68 Prozent und in Baden 5,38 Prozent. In diesen Städten gab es überdurchschnittlich gute Ergebnisse für die Neos und die Grünen.
Noch kurz vor der Wahl war das Schreckgespenst einer Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos von der ÖVP an die Wand gemalt worden. Eine Mehrheit findet die Konstellation nicht. Pröll ließ aber auch gestern keinen Zweifel daran, dass er eine Fortsetzung der großen Koalition für die beste Lösung hält: „Ich kann nur warnen, eine Dreierpartnerschaft einzugehen. Es ist schon schwierig genug, zu zweit zu regieren.“ Der Umgang miteinander müsse aber ein anderer, partnerschaftlicher werden. „Ein Ehepaar, das ständig streitet, wird schließlich auseinander gehen.“
Keine Emotionen
Keinerlei Emotionen zeigten rund 50 Funktionäre und Aktivisten in der NÖ-Parteizentrale der SPÖ bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Von Jubel war man ohnehin weit entfernt, aber auch Enttäuschung wollte niemand offen zeigen. Neo-Parteichef Matthias Stadler nahm das Abschneiden der Sozialdemokraten bei der ersten Wahl unter seiner Führung weitgehend regungslos zur Kenntnis. Stadler bezeichnet die Verluste als „Wermutstropfen“, sieht das Wahlergebnis aber auch als „Bestätigung, dass die SPÖ erster ist und weiterhin den Kanzler-Anspruch stellt“. Das NÖ-Ergebnis seiner Partei liege „im überregionalen Trend“.
Freude herrschte bei der FPÖ-NÖ im Landtagsklub. „Wir haben bundesweit und in Niederösterreich zugelegt. Das ist das, was ich mir für die FPÖ NÖ vorstelle“, sagte Landesobmann und Spitztenkandidat Walter Rosenkranz. Die sechs freiheitlichen Mandate in NÖ seien abgesichert; „es sieht so aus, als ob sich auch das siebente ausgeht“, sagte Rosenkranz.
Nüchternheit und höchstens verhaltene Freude im Landtagsklub der NÖ-Grünen in St. Pölten. Nationalrätin Tanja Windbüchler-Souschill kann auch dem knappen Zuwachs Positives abgewinnen: „Von den zwei Mandaten, die wir gewonnen haben, kommt eines aus Niederösterreich.“
„Zufrieden ist man nie, wenn man unter 50 Prozent hat“, erklärt Hinterbrühls Bürgermeister Benno Moldan, Aktionsgemeinschaft ÖVP und Unabhängige. Wobei der Ortschef der Heimatgemeinde von Noch-Vizekanzler Michael Spindelegger nicht unzufrieden sein kann. 39,80 Prozent oder 827 Wähler stimmten für die ÖVP – um nur 0,24 Prozent weniger als im Jahr 2008. Man habe mit einem derartigen Ergebnis gerechnet, bleibt Moldan nüchtern. Es gebe bestimmt auch einen gewissen „Vizekanzler-Bonus“ im Ort.
Die Stimmung selbst war gut, am Gemeindeamt wurde etwa mit Sekt und Brötchen gefeiert. Für Überraschung sorgten jedoch die NEOS, die aus dem Nichts 10,88 Prozent erreichten und neben Ortschef Moldan auch SPÖ-Vizebürgermeister Hermann Klein Respekt abnötigten. „Hut ab, da muss man gratulieren“, sagt Klein. Die SPÖ selbst verlor in der Hinterbrühl 3,12 Prozent der Stimmen. „Wir sind zufrieden, dass wir im Bund Erster sind“, betont Klein.
Detail am Rande: ÖVP-Spitzenkandidat Spindelegger musste sich im Ort bei den Vorzugsstimmen gegen Gemeinderätin Brigitte Güntner (Aktionsgemeinschaft) geschlagen geben. Der Vizekanzler selbst hatte pünktlich um 9 Uhr Vormittag samt Frau Margit und Sohn Patrick in der Volksschule seine Stimme abgegeben. Dabei hatte er klargestellt: „Heute werde ich noch nicht Bundeskanzler.“ Und Recht behalten.
Denkzettel
„Einen Denkzettel für die Regierung“ forderte Parteigründer Frank Stronach am Sonntagvormittag im Blitzlichtgewitter der Journalisten. Nur wenige hundert Meter von der Magna-Europazentrale in Oberwaltersdorf (Bezirk Baden) entfernt, gab der Austrokanadier seine Stimme ab. „Denkzettel“ gab es in seiner Heimatgemeinde auch für den Milliardär: Zwar wählten mit 11,9 Prozent mehr als doppelt so viele Bürger im Vergleich zum Bundesschnitt das Team Stronach. „Ich sehe das Ergebnis aber differenziert“, meint Bürgermeister Markus Gogollok (ÖVP). Bei der Landtagswahl im März kam Stronach noch auf 25,5 Prozent der Stimmen. „Es ist ein Verlust“, so der Ortschef.
Kurios: Von Kamerateams umringt, durfte Stronach gemäß Wahlordnung seinen Stimmzettel nicht selbst in die Urne einwerfen. Dieser Formalismus wird aber nicht überall so streng gehandhabt. Wahlleiter Heinrich Hartl übernahm diese Aufgabe für Stronach – Hartl selbst kandidierte für die ÖVP.
Bei den Landtagswahlen im März kam die ÖVP noch auf mehr als 50 Prozent. Gestern, Sonntag, waren es um 20 Prozent weniger. Ohne den Faktor Erwin Pröll ist die Volkspartei in ihrem Kernland nur mehr die stärkste Mittelpartei.
Dass im Wahlkampffinale die VP-NÖ vor Rot-Grün gewarnt hat, scheint keine große Rolle gespielt zu haben. Als Trost bleibt der ÖVP, dass sie in Niederösterreich das Ergebnis für Vizekanzler Michael Spindelegger gerettet hat. Denn in anderen Bundesländern lief es für die ÖVP noch miserabler.
Katerstimmung herrscht auch bei den Landes-Roten. Vorbei sind die Zeiten, wo man bei Nationalratswahlen vor der ÖVP ins Ziel einlaufen konnte. Für den neuen SPÖ-Landesparteichef Matthias Stadler ein denkbar schlechter Start.
Klar ist, dass beide Parteien auf Bundesebene akuten Handlungsbedarf haben. Der Warnschuss trifft aber auch Schwarz und Rot in Niederösterreich. Denn die Wähler sind auch hier flexibler geworden. Und mit den Neos hat ein neuer politischer Faktor die Bühne betreten.
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