Vielfalt der Äpfel ist bedroht
Die Verhältnis Frau und Apfel ist seit der Schöpfungsgeschichte spannend. Die Lehrerin und Wissenschafterin Martina Schmidthaler hat in ihrer Doktorarbeit bewiesen, dass auch in der heimischen Kulturgeschichte die Frauen eine besondere Rolle beim Schutz einer großartigen Vielfalt an Apfelsorten inne haben. Zugleich ortete die Mostviertlerin aber auch eine große Bedrohung. Von der EU ausgehender Bürokratismus und liebloser Umgang mit der alten Obsttradition dünnen den Naturschatz gefährlich aus.
"Ende Juli kann man die ersten Sommeräpfel, wie den Klarapfel oder den Annaapfel ernten. Viele Frauen erwarten die Früchte auf den Bäumen in den Streuobstwiesen schon, um sie frisch zu verkochen", weiß die Professorin an der Höheren Wirtschafts- und Umweltschule in Yspertal. Schon in ihrer Studentenzeit ist die Landschaftsplanerin auf den Reichtum durch hunderte Obstsorten im Mostviertel gestoßen. In zwei Standardwerken erarbeitete sie mit einer Kollegin 70 der wichtigsten Mostbirnsorten.
Keine Lobby
"Schon damals fiel mir auf, dass die Wirtschaftsäpfel, die es in allen Regionen in großen Mengen gibt, bei den Mostbauern keine Lobby haben und nirgends dokumentiert werden. Nur wenige Baumschulen pflanzen diese alten Sorten weiter", meint die Obstfachfrau.
Von der geplanten Bestandsaufnahme alter Streuobstgärten wurde ihre Doktorarbeit zur sozialhistorischen Analyse. "Nur die Frauen haben um die Apfelbäume rund um die Höfe gekämpft. Wichtig war nicht die schöne süße Frucht, sondern der Charakter und die Haltbarkeit. Schließlich versuchte man mit dem Obst über das ganze Jahr zu kochen", erzählt Schmidthaler. "Der sauerste Apfel ist der wertvollste, wenn er der einzige ist, der zur Verfügung steht", gibt sie einen Spruch der Bäuerinnen weiter.
In ihrer Dissertation hat sie auf fünf Mostviertler Bauernhöfen 64 Sorten gefunden und dokumentiert. Darunter gab es nur eine Sorte zugleich auf vier Höfen. Hunderte von einander oft völlig verschiedene Sorten wurden im Most- oder Mühlviertel oder auch im Raum um Wien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gezüchtet, weiß die Obstkundlerin. Fast nichts davon ist wissenschaftlich dokumentiert, die Namen haben die Bauern in der jeweiligen Region erfunden.
EU-Pflanzverordnung
Seit eine Pflanzgutverordnung der EU in Kraft getreten ist, dürfen Sorten wie der "Fraunapfel", der "Französische Prinzessinenapfel", der "Blaschkeapfel" oder der "Boschade" (Kerne im Gehäuse rasseln) und zig andere Sorten eigentlich nicht mehr ohne behördliche Registrierung ausgepflanzt werden. Doch: "Wer hätte diese Bäume zur Registrierung einreichen sollen. Jetzt geht es schnell und immer mehr Sorten verschwinden", ist die Pomologin überzeugt.Im eigenen Garten hat sie auf einen Baum gleich zwölf verschiedene Sorten mit Edelreiser aufgepelzt. Das wird Österreichs Apfelvielfalt nicht retten. Größere Hoffnung geben der Obstkundlerin da die vielen Bäuerinnen und andere Frauen, die ihre alten Bäume in den Gärten weiterhin pflegen und deren Früchte schätzen und zu herrlichen Speisen veredeln.
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