Nach Missbrauchs-Skandal von Arzt: Spitalsführung in Krems freigestellt

Sämtliche Warnungen vor dem Mediziner wurden ignoriert. Während Dr. M. im Landesgericht Korneuburg reumütig gestand, als Feuerwehr-Jugendleiter und Feuerwehrarzt junge Mädchen sexuell missbraucht, mit einem betrunkenen Patenkind im Bett geschlafen und sich an ihm vergangen zu haben, arbeitet er bereits wieder monatelang unbehelligt an der Uniklinik Krems. Nicht nur das: Mit einem Lehrauftrag der Karl Landsteiner Privatuniversität ausgestattet, unterrichtete er in Krems junge Studentinnen im Fach Notfall- und Intensivmedizin.
Der Fall des Mediziners, der im Dezember 2021 wegen schweren sexuellen Missbrauchs Unmündiger und wehrloser Personen zu drei Jahren Haft (nicht rechtskräftig) verurteilt wurde und bis heute keinen Tag im Gefängnis verbracht hat, weitet sich zu einem handfesten Skandal aus. Sowohl die Karl Landsteiner Privatuniversität, wie auch die Uniklinik Krems haben alle Warnungen vor dem Arzt in den Wind geschrieben und nicht darauf reagiert.
Spitalsdirektoren müssen gehen
Nachdem der KURIER am Donnerstag die Missstände aufgezeigt hat, zieht die NÖ Landesgesundheitsagentur (LGA) die Reißleine. Obwohl die Universitätsklinik Krems bereits am 4. Mai vor einem Insider schriftlich per Mail vor dem Anästhesisten gewarnt wurde, hat man im Spital nichts dagegen unternommen. Vor allem wurde die Zentrale der LGA nicht darüber in Kenntnis gesetzt.
"Wie wir am Mittwoch mitgeteilt haben, hat die Zentrale der NÖ LGA am Montag, den 19. September, von den Vorwürfen gegen besagten Arzt erfahren. Daraufhin wurde dieser unverzüglich vom Dienst enthoben. Nach umfangreichen internen Recherchen wurde das Dienstverhältnis am Donnerstag beendet und dabei ermittelt, dass die Informationsweitergabe zu dieser Causa durch das UK Krems an die Zentrale der LGA nicht erfolgt ist. Dieser Sachverhalt wird derzeit geklärt, wobei wir uns um die Einbeziehung der Patientenanwaltschaft bemühen. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse werden die Verantwortlichen vom Dienst freigestellt", heißt es in einer Stellungnahme.
Wie aus gut informierten Kreisen aus der Uniklinik Krems zu erfahren war, mussten als Konsequenz aus der Affäre der ärztliche und der kaufmännische Direktor den Hut nehmen. Sie sind mit sofortiger Wirkung dienstfrei gestellt. Beide sollen durch die Warnung von der Vorgeschichte des Anästhesisten gewusst, aber weder etwas unternommen noch die Direktion darüber informiert haben.
Warten auf Konsequenzen
Das erste Mal wurden sowohl die Landsteiner Privatuni wie auch die Landesklinik Krems am im Mai dieses Jahres davor gewarnt, dass sie einen (nicht rechtskräftig verurteilten) Sexualstraftäter zur Ausbildung junger Studentinnen heran ziehen. Das Mailprotokoll liegt dem KURIER vor.
Die Studenten warteten allerdings vergebens auf Konsequenzen. Dr. M. unterrichtete weiter. „Es gab danach Anrufe bei der Studiengangsleitung Humanmedizin, wo noch einmal eindringlich vor dem Mann gewarnt wurde. Aber auch danach ist nichts geschehen“, schildern betroffene Studenten.
Als die brisante Causa am Mittwoch öffentlich wurde, überschlugen sich die Ereignisse. Weniger als 40 Minuten nach der schriftlichen Anfrage des KURIER im Rektorat der Karl Landsteiner Privatuniversität, soll laut Betroffenen plötzlich ein Schreiben an Studenten ergangen sein, wonach Dr. M. von seinem Lehrauftrag entbunden wurde.
Am Donnerstag gab die Uni dem KURIER eine ausführliche Stellungnahme ab. Darin heißt es unter anderem, dass man bereits im Mai auf die Vorwürfe reagiert hätte. "Die Studiengangsleitung Humanmedizin wurde erstmals am 5. Mai 2022 per Mail von einer Studierenden über den Fall informiert. In Abstimmung mit dem Rektorat wurde der Sachverhalt intern analysiert, der betroffene Arzt hat am 12. Mai 2022 das letzte Mal für die Universität unterrichtet und wurde seitdem nicht mehr in der Lehre berücksichtigt. Gemeinsam mit einer Vertreterin der Anlaufstelle für Gleichbehandlungsfragen wurde am 23. Juni 2022 ein Gespräch mit der Studierendenvertretung geführt. Der Universität sind per dato keine Zwischenfälle aus dem klinischen Unterricht bekannt. Der Fall wird der Ombudsstelle für Studierende zur Untersuchung übergeben", erklärt die Universität.
Erklärungsnot
In Erklärungsnot gerät auch die NÖ Landesgesundheitsagentur. Am Mittwoch hieß es auf Anfrage noch, man habe erst „Anfang der Woche“ von den Umständen rund um den Notfallmediziner erfahren. Am Donnerstag kam es in der Angelegenheit zu einer Krisensitzung und Ursachenforschung. Dabei stellte sich heraus, dass die Klinik Krems die Information nicht weitergegeben hatte.

Warnung vor dem Mediziner in einem Mail am 4. Mai
Warten auf Urteil
Und wie geht es mit Dr. M. weiter? Die haarsträubende Geschichte nimmt ihren Lauf. Nachdem ihn mit dem Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe sein damaliger Dienstgeber, das Wiener AKH sofort entlassen hatte, bekam er nur drei Monate später (März 2021) die Stelle an der Klinik in Krems. Im Dezember 2021 wurde er in erster Instanz verurteilt, worauf ein Einspruch erfolgte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist mittlerweile abgewiesen, allerdings hat das Oberlandesgericht Wien neun Monate nach dem Urteil immer noch nicht über den Einspruch gegen die Strafhöhe entschieden, bestätigt der Sprecher des Landesgericht Korneuburg, Wolfgang Schuster-Kramer.

Der angeklagte Arzt bei seinem Prozess im Dezember 2021 am Landesgericht Korneuburg
Somit liegt keine Rechtskraft vor und der Fall scheint auch nicht im Strafregisterauszug des Mediziners auf. Im Landesklinikum Krems wird der Arzt aber nicht mehr tätig sein. „Wenn der Sachverhalt geklärt ist, werden die weiteren dienstrechtlichen Schritte gesetzt“, heißt es dazu.
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