Einflussreich
„Mittlerweile kommen die Leute schon aktiv auf mich zu“, erzählt der Autor, dessen Liebe zum Dialekt schon lange währt. Staribacher stammt aus Eichenbrunn im Bezirk Mistelbach, besuchte aber die Schule in Laa an der Thaya an der tschechischen Grenze. „Und schon damals fiel mir auf: Hoppala, manche Schüler sagen das anders, als ich es gewohnt bin“, schildert er.
Das war der Anstoß zu seiner Leidenschaft, Wörter zu sammeln. Immer mehr tigerte sich Staribacher neben seinem Brotberuf als Projektleiter in die Geschichte des Regiolekts seiner Heimat, immer mehr Begriffe konnte er zusammentragen. Und er machte sich auch auf die Suche nach dem sprachwissenschaftlichen Ursprung der Begriffe – was angesichts der vielen historischen Einflüsse in der Region alles andere als eine leichte Aufgabe ist.
„Das Weinviertel war immer ein Durchzugsgebiet. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder“, sagt Staribacher. Slawische Begriffe wurden über die Jahre in den Alltag übernommen, aber auch das Jiddische oder das Französische nahmen Einfluss. Immerhin war Letzteres lange Zeit die Modesprache am Hofe, und wurde somit auch von den Angestellten auf dem Land aufgeschnappt. „Grundsätzlich handelt es sich bei der Weinviertler Mundart aber um einen mittelbayerischen Dialekt“, erklärt Staribacher.
Wobei dessen Ursprung weit zurückreicht: Das Weinviertlerische wird als „Ui-Mundart“ bezeichnet. Siedler aus Franken und Bayern brachten den Doppellaut vor rund 1.000 Jahren in die Region. Mittlerweile ist das charakteristische „Ui“ jedoch fast ausgestorben; im Jahre 1920 sprachen noch ungefähr 500.000 Menschen die Mundart, dann nahm der Wiener Einfluss zu. Immer mehr Weinviertler pendelten in die Arbeit, der Horizont der Menschen ging immer weiter über die Ortsgrenzen hinaus. Die Massenmedien, die das deutschen Kabel- und Satellitenfernsehen auch für Österreich empfangbar machten, taten ihr Übriges.
Der Weinviertler Dialekt ist also eine Besonderheit – und das würden auch immer mehr junge Leute erkennen, freut sich Staribacher. „Viele sagen: Das ist so, wie die Oma oder der Opa reden“, schildert er. Und dazu zählen auch durchaus unterhaltsame Ausdrücke. Staribachers Favoriten: „miachtln“, also stinken, und „Muid“, was so viel wie Kehrgut oder Abfall bedeutet.
Wandelbar
Wer jetzt mehr über den Weinviertler Dialekt erfahren will, der sollte sich das neue Lexikon bald besorgen. Nicht nur aufgrund der großen Nachfrage, sondern auch, weil es das letzte Werk in dieser Form von Michael Staribacher sein wird. Er möchte sich neuen Projekten widmen.
„Um den Dialekt zu bewahren, wären Tonaufnahmen wertvoll. Ich würde gerne Kurzvideos mit Leuten aus der Region machen“, so der Eichenbrunner. Obwohl er selbst nicht glaubt, dass die Weinviertler Mundart je aussterben wird. „Sie wird sich verändern“, sagt Staribacher, „aber nicht sterben.“
Bleibt nur noch eines zu klären: Was ist denn jetzt eine Ahnlfettn, ein Gschamstara oder ein Schtaunzarl? Die vielleicht überraschende Auflösung: Erstere beschreibt im Örtchen Ungersdorf den Hüftspeck, der sich altersbedingt bei Ahnl (Großmutter) oder Ähnl (Großvater) festgesetzt hat. Der Gschamstara ist das Weinviertler Pendant zu einem Verehrer. Und ein Schtaunzarl? Nun, das sind deutlich ungeliebtere Gesellen, nämlich Gelsen.
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