Veraltete Züge: S-Bahn sprang aus den Schienen

Veraltete Züge: S-Bahn sprang aus den Schienen
Triebwagen verlor Kompressor und entgleiste mit einer Achse. Pfusch in der Werkstatt?

Eine Schnellbahn verliert einen eingebauten Kompressor, überfährt dieses kiloschwere Metallteil im Morgenverkehr und entgleist anschließend mit einer Achse. So geschehen am Ostermontag um 5.34 Uhr in Wiener Neustadt. Das Verkehrsministerium stuft diesen Vorfall als potenziell brisant ein, wie es dort heißt. Sofort wurde ein Eil-Gutachten in Auftrag gegeben.

Bis Ende dieser Woche muss geklärt sein, wie es dazu kam und ob Gefahr für die Sicherheit der Schnellbahnen besteht, heißt es im Büro von Verkehrsminister Gerald Klug. Zuletzt wurde diese Maßnahme ergriffen, als der KURIER im November 2014 aufdeckte, dass im Railjet falsche Achsen montiert worden sind.

Immerhin sind derzeit 119 dieser 4020er-Schnellbahn-Garnituren im Einsatz (siehe Zusatzbericht unten), das ist ein Fünftel der gesamten ÖBB-Flotte. Im schlimmsten Falle müssen diese Züge alle in die Werkstatt. Der Kompressor ist ein wesentlicher Bauteil der Triebwagen: Er ist von der Beschleunigung über das Bremsen bis zum Öffnen der Türen verantwortlich. Ohne Kompressor schafft es eine Schnellbahn noch bis zur nächsten oder maximal übernächsten Station, weiter jedoch meist nicht mehr.

Keine Verletzten

Wegen des Ostermontags waren laut ÖBB nur rund zehn Reisende im Zug. "Es gab keine Verletzungen von Fahrgästen oder unseren Mitarbeitern", betont Sprecher Michael Braun. "Der Bauteil ist aber nicht sicherheitsrelevant", wird betont.

Laut KURIER-Informationen wurden bei dem Zwischenfall zwei Weichen schwer beschädigt. Der Vorfall verlief auch deshalb glimpflich, weil der Zug mit niedrigem Tempo unterwegs gewesen ist, da er sich – aus Wien kommend – gerade auf der Einfahrt in den Bahnhofsbereich Wiener Neustadt befand. Dennoch entgleiste eine von insgesamt zwölf Achsen. Bei höherem Tempo wären die Folgen weitaus schlimmer gewesen.

Erste Bilder aufgetaucht

Im Zuge der Recherchen sind am Mittwoch im Österreichischen Eisenbahnforum erste Bilder aufgetaucht, die drei verlorene Metallteile zeigen – der größte davon ist etwa einen Quadratmeter groß. Zu sehen ist auch ein gröber beschädigter Unterboden der betroffenen Garnitur. Experten des Eisenbahnforums mutmaßen, dass der Kompressor weitere Teile – wie etwa eine Auffangeinrichtung – mit abgerissen haben könnte.

Experten orten Wartungsfehler

ÖBB-Insider verweisen gegenüber dem KURIER auf einen möglichen Wartungsfehler in der Werkstatt. Das wäre insofern brisant, dass es – nach dem Einbau der falschen Railjet-Achsen – bereits zum zweiten Mal passiert wäre, dass bei der Wartung ein gröberer Fehler einschleicht. Damals mussten der technische Geschäftsführer und der zuständige Qualitätsmanager der ÖBB-Tochter Technisches Service GmbH ihre Posten räumen.

Die 4020er-Garnituren sind jedenfalls hoffnungslos veraltert: Zuletzt mussten im Vorjahr alle Türgriffe umgebaut werden. Die ÖBB versuchen bereits, den Austausch zu beschleunigen, betont Braun: "Gemeinsam mit dem Bund und den Bundesländern, arbeiten wir im Interesse der Fahrgäste daran, dass dieser Erneuerungsprozess etwas rascher abgewickelt werden könnte. Aber wir kennen natürlich knappe Budgets und respektieren das auch bei unseren Auftraggebern."

Zwischen 1978 und 1987 kauften die ÖBB insgesamt 120 Garnituren der 4020er-Serie (eine wurde seither bei einem Unfall demoliert). Diese sorgten wegen der schwierigen Einstiegshöhen und der lauten Kompressoren für Ärger.

Immer wieder sollten die veralteten Züge ausgetauscht werden, das Geld wurde aber anders – etwa für Tunnelprojekte – ausgegeben. Bis 2018 werden 30 Stück durch die modernen Cityjets ausgetauscht. Die restlichen 90 Garnituren sollen noch mindestens bis 2020 im Einsatz bleiben; hinter vorgehaltener Hand ist sogar von bis zu 2025 die Rede.

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