Unglück am Bahnhof: "Ich dachte, Viktoria ist tot"

Viktoria kann schon wieder Bahn fahren
120 kg schwere Glastür stürzte auf Vierjährige. Strafprozess startet.

Als die vierjährige Viktoria nach dem wochenlangen Spitalsaufenthalt heim kam, durften keine Fenster und Türen offen stehen. Sie durften nicht einmal gekippt sein. Das Kind hatte panische Angst, dass sie gleich heraus fallen und auf sie stürzen.

Unglück am Bahnhof: "Ich dachte, Viktoria ist tot"
Unfall am Bahnhof Strasshof - 120 kg schwere Türe herausgebrochen
So ist es am 27. April 2015 im Bahnhof Strasshof an der Nordbahn, NÖ, passiert (der KURIER berichtete). Die 120 kg schwere Glastür zum Warteraum für die Fahrgäste brach aus der Verankerung und begrub das 13 kg schwere Mädchen unter sich. Seit damals leidet die ganze Familie an den Folgen und kämpft mit den ÖBB um Schadenersatz. Kommenden Mittwoch startet in Korneuburg der Strafprozess gegen den Chef der Stahlbaufirma,welche die fehlerhafte Tür installiert hat.Viktoria pendelt unter der Woche täglich mit Mutter Miglena B. nach Wien. Die Frau ist wissenschaftliche Assistentin an der Wirtschaftsuni im Prater, zu der ein Kindergarten gehört. An dem Tag hatte man den Zug versäumt und setzte sich in die Wartekoje. Viktoria wollte hinter sich die Tür zuziehen. „Sie wollte zeigen, dass sie schon stark genug ist, das allein zu machen“, sagt die Mutter im KURIER-Interview.

Aus dem Ohr geblutet

Miglena B. hörte ein Geräusch und sah ihr Kind unter der Tür liegen. „Sie bewegte sich nicht, weinte nicht, blutete aus dem Ohr, ich dachte schon, Viktoria ist tot.“

Unglück am Bahnhof: "Ich dachte, Viktoria ist tot"
Integrationskurs
Zum Glück wurde die Tür im Sturz durch den Griff etwas aufgehalten, es entstand zwischen Tür und Fußboden ein enger Zwischenraum, in dem Viktoria eingeklemmt wurde. „Sie wäre sonst zerquetscht worden“, sagt der Wiener Anwalt der Familie, Josef Wegrostek.

Miglena B. zog die schwere Tür von ihrem Kind, das nun doch Lebenszeichen von sich gab, und alarmierte die Rettung. Viktoria wurde mit dem Hubschrauber ins Donauspital auf die Intensivstation geflogen. Sie hatte Brüche des Hinterhaupts, der Stirn, des Schläfenbeins, der Augenhöhle erlitten. Nachdem sie wieder ansprechbar war, fragte sie ihre Mutter, „ob sie sterben muss? Und wie es im Himmel ist?“

Seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus absolvieren Mutter und Tochter eine Psychotherapie, um das Trauma zu verarbeiten. Anfangs musste Miglena B. mit Viktoria im Auto täglich nach Wien zur Uni und zum Kindergarten fahren, weil das Mädchen sich nicht mehr traute, einen Bahnhof zu betreten. Inzwischen geht das wieder. Man benützt jetzt einen anderen Aufgang.

Heimzahlen

Dann wollte sich Viktoria bei der Glastür, die auf sie gefallen war, „revanchieren“. Sie wollte es ihr „heimzahlen“. Der Vater ging mit Viktoria hin, aber das Kind konnte nicht wie geplant gegen die Tür treten. Sie fehlt in diesem Warteraum nach wie vor.

Anwalt Wegrostek lastet den ÖBB an, dass die Befestigung der Tür nicht kontrolliert worden und ein beschädigter Bolzen nicht ausgetauscht worden sei. Man habe sich Ansprüchen gegenüber zunächst „tot gestellt“, dann läppische 10.000 Euro Akonto gezahlt. Die Familie fordert aber insgesamt 30.000 Euro Schadenersatz, ein neurologisches Gutachten ist ausständig.

Beim Strafprozess wird Viktoria der Zeugenauftritt erspart. Mutter Miglena B. kommt auch nicht. Sie hat am Tag der Verhandlung Chemotherapie. Nach dem Unglück brach bei ihr Krebs aus.

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