Es ist eines jener Projekte, das NiederösterreichsLandeshauptfrauJohanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Vorjahr in Angriff nehmen hat lassen. Eine Autobahn durch das Waldviertel, die als „Europaspange“ bezeichnet wird.
Für Werner Kogler, den Spitzenkandidaten der Bundesgrünen, wurde dieses Autobahnprojekt zum Symbol dafür, was nicht in eine zukunftsträchtige Klimapolitik passt. NiederösterreichsGrüne wollen deswegen auch, dass die Waldviertelautobahn bei möglichen Koalitionsgesprächen ein Thema ist.
Und sie haben mit Staunen und auch einem gewissen Ärger registriert, dass der niederösterreichische Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) einen Tag nach dem ersten Treffen von Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) in einer Aussendung die Prüfung des umstrittenen Straßenprojektes angekündigt hat.
„Klarheit schaffen“
Die strategische Prüfung Verkehr (STP-V) hat dazu Fahrt aufgenommen. „Vor Kurzem wurden die dazugehörigen Aufträge von der Landesregierung vergeben“, sagt Ludwig Schleritzko. In einem umfassenden Bericht sollen die Auswirkungen auf die Umwelt oder räumlichen Strukturen dargestellt werden. Alle Interessierten werden laut Schleritzko die Chance bekommen, dazu Stellung zu nehmen. Das Ziel sei, „hier Klarheit auf Basis von Fakten und nicht von Meinungen zu schaffen. Geht die Prüfung positiv aus, kann die Europaspange vom Nationalrat ins Bundesstraßengesetz aufgenommen werden, dann können die Prüfungen durch die Autobahnbetreibergesellschaft Asfinag gestartet werden“, erklärt Schleritzko.
Wie berichtet, ist aber noch völlig offen, wo die exakte Trasse verlaufen soll und wie teuer das Projekt wird. Der Kostenrahmen für einen kompletten Neubau der Verbindung Freistadt bis Hollabrunn bewegt sich zwischen 1,5 und 3,2 Milliarden Euro – je nachdem, wie viele Brücken oder Tunnel benötigt werden. „Es ist aber keine Rede von einer Transitstrecke für Lkw der europäischen Nachbarn“, betont Schleritzko. Es gehe um viel mehr als nur um eine Straße. Schleritzko feilt mit Experten an einem umfangreichen Maßnahmenpaket für das nördliche Niederösterreich. Er ist der Ansicht, dass auch der Ausbau der Franz-Josefs-Bahn wirtschaftliche Effekte erzielen kann.
Die Grünen gehen davon aus, dass bei den möglichen weiteren Sondierungs- und eventuellen Koalitionsgesprächen „diese klimaanheizende Transitstrecke sicher ein Thema sein wird“, sagt Michael Pinnow, Sprecher der Grünen Niederösterreich. Sie halten am „Nein zur Waldviertelautobahn“ fest. Die Region „braucht vieles, aber in Zeiten der Klimakatastrophe und der Strukturprobleme sicher keine Europaspange. Wozu will man prüfen, was man jetzt schon weiß?“, fragt Pinnow. Viel wichtiger sei ein gut ausgebautes Verkehrsnetz mit der Franz-Josefs-Bahn kombiniert mit Bussystemen.
Auch der Ausbau der digitalen Autobahn müsse im 21. Jahrhundert ankommen, damit der regionale WirtschaftsstandortWaldviertel aufgewertet werde. Eine Hochleistungsstrecke würde nicht nur Steuermilliarden verschlingen, sondern auch hunderte Hektar Boden versiegeln. „Wohn- und Erholungsgebiete werden so unbrauchbar gemacht“, schildert Pinnow.
„Kein Knackpunkt“
Im Büro von Schleritzko glaubt man hingegen nicht, dass die Europaspange der große Knackpunkt sein wird. „Wir bringen das Thema weg vom Stammtisch, hin zu einem auf Fakten basierenden Projekt. Wir gehen das mit der Prüfung rational an“, heißt es dazu vom Landesrat. Deswegen sieht man die Sache entspannt, weil ja auch die Grünen an Fakten interessiert sein müssten. Der Prozess sei „ergebnisoffen“.
Autobahn-Bau gegen naturbelassene Region
In der Debatte um eine geplante Autobahn durch das Waldviertel gehen die Meinungen weit auseinander. Unternehmer wünschen sich seit vielen Jahren eine Hochleistungsstrecke, damit die regionale Wirtschaft angekurbelt wird. Viele Bewohner befürchten hingegen die Zerstörung des weitgehend naturbelassenen Lebensraums.
„Es ist eine Notwendigkeit, dass die Region eine hochrangige Straße, egal in welcher Form, bekommt. Andere Regionen wie beispielsweise das Weinviertel (A5-Nordautobahn) oder das Mühlviertel (S10-Schnellstraße) haben gezeigt, dass sich dort, wo eine neue Autobahn durchführt, zahlreiche Betriebe ansiedeln und dass so viele Arbeitsplätze entstehen“, sagt Transportunternehmer Peter Weißenböck aus Weitra, Bezirk Gmünd.
Eine Autobahn würde die Ballungszentren Wien, St. Pölten und Linz näher an die Region heranrücken und sowohl die Lebens-, als auch die Arbeitsqualität verbessern. „Viele Pendler sind bereit, 30 bis 60 Minuten Fahrzeit täglich in Kauf zu nehmen, wenn sie dafür in einer gesunden Landregion leben dürfen“, sagt Weißenböck.
Anders klingt das aus dem Mund von Thomas Kainz, Sprecher der Initiative „Lebenswertes Waldviertel“ aus Waidhofen an der Thaya. In Zeiten der Klimakrise und der steigenden Bodenversiegelung sei eine „Betonschneise durch die Region ein ökologischer Wahnsinn. Man würde eine einzigartige Waldlandschaft, wie es sie in keinem anderen Viertel Niederösterreichs gibt, zerstören“, sagt Kainz. Aus seiner Sicht ist der Bau einer neuen Autobahn „eine ewig gestrige Idee, die nur einen Transitverkehr anzieht“.
Die Bürgerinitiative setzt sich dafür ein, dass nicht eine Ost-West-, sondern eine Nord-Süd-Verbindung, „so schonend wie bisher“ – also in Form von zusätzlichen Fahrspuren bei den bestehenden Bundesstraßen zwischen den Bezirksstädten – ausgebaut wird. Wichtig sei auch eine zweigleisige Franz-Josefs-Bahn zwischen Gmünd und Wien, so Kainz.
Schon Ende der 1960er Jahre befand sich eine „Waldviertel-Autobahn“ im Bundesstraßengesetz, ehe sie aufgrund anderer Projekte ersatzlos gestrichen wurde. Jetzt will das Land Niederösterreich bis Ende 2021 eine umfassende Analyse, um Vor- und Nachteile abzuwägen. Danach will man weitere Schritte setzen. Erste grobe Schätzungen gehen von einem Kostenvolumen von 1,6 bis 3,2 Milliarden Euro aus – für eine rund 140 Kilometer lange Verbindung von Freistadt bis Hollabrunn. Die Verfahrensdauer für das Projekt beträgt mindestens zehn Jahre.
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