Tote 13-Jährige in NÖ: Prozessstart am Mittwoch
Am Landesgericht Krems startet am Mittwoch der Prozess wegen Mordes durch Unterlassung gegen einen 39-Jährigen und seine um vier Jahre jüngere Ehefrau. Den beiden Deutschen wird vorgeworfen, die chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung ihrer 13-jährigen Tochter nicht behandeln haben zu lassen. Die Krankheit führte laut Obduktion zum Tod des Mädchens. Ein Urteil wird für 19. Februar erwartet.
Die Beschuldigten lebten laut Anklage vor der Inhaftierung rund sechs Jahre gemeinsam mit ihren sieben Kindern im Bezirk Krems. Die beiden deutschen Staatsbürger gehören der Glaubensgemeinschaft „Gemeinde Gottes“ an. Bis auf das verstorbene Mädchen ließen sie keines der Kinder jemals von einem Arzt untersuchen, zudem besuchte der Nachwuchs weder Kindergarten noch Schule.
Im Juni 2017 wurde die Bezirkshauptmannschaft Krems in einem Schreiben auf den schlechten Gesundheitszustand des Mädchens hingewiesen. Auf Drängen einer Sozialarbeiterin hin wurde die damals Zehnjährige in ein Krankenhaus in der Umgebung gebracht, wo ein lebensbedrohlicher Zustand diagnostiziert wurde. Rasch wurde das Mädchen ins SMZ-Ost nach Wien überstellt. Nach acht Tagen sollen die Angeklagten aber auf eine Entlassung der Tochter gedrängt haben. Trotz eindringlicher Warnungen der Ärzte unterschrieb der Vater einen Revers, woraufhin das Mädchen in häusliche Pflege übergeben wurde.
Vater erklärte seiner Tochter, dass sie sterben werde
In den folgenden beiden Jahren ließen die Eltern das Kind nicht mehr medizinisch behandeln. Laut Anklageschrift verspürte das Mädchen in diesem Zeitraum immer wieder heftige Schmerzen und Übelkeit, eine altersadäquate Gewichtszunahme erfolgte nicht. Auch die Entzündung der Bauchspeicheldrüse verschlechterte sich stetig: Lebenswichtige Inselzellen starben ab, dies löste eine Zuckerkrankheit aus. Wäre das Mädchen im der Zeit von Sommer 2017 bis September 2019 regelmäßig medizinisch überwacht worden, hätte es ein annähernd normales Leben geführt, befindet die Staatsanwaltschaft.
Eltern sollen Sterben beobachtet haben
Mitte September 2019 spitzte sich die gesundheitliche Lage der nunmehr 13-Jährigen zu. Im Beisein seiner Frau erklärte der 39-Jährige am 16. September seiner Tochter angesichts ihres schwachen Allgemeinzustandes laut Anklage, dass sie sterben würde. Am folgenden Tag erwachte die 13-Jährige nicht mehr aus einem diabetischen Koma. Die Eltern sollen das Sterben ihrer Tochter vom Krankenbett aus beobachtet haben.
„Hätten die Angeklagten entsprechend ihrer Verpflichtung und Verantwortung gehandelt, einen Arzt verständigt und eine Behandlung des Kindes zugelassen“, wäre das Mädchen „heute ohne Zweifel noch am Leben“, wird in der Anklageschrift betont.
"Wenn Gott so will, soll man nicht eingreifen"
Eine Handlung soll aus religiösen Gründen unterblieben sein. „Wenn Gott es so will, dass sie stirbt, dann soll man von außen nicht eingreifen“, sagte der 39-Jährige laut Anklage einer Zeugin. In der Evolution setzte sich „nach Gottes Wille der Stärkere durch“.
„Die beiden wollten garantiert nicht, dass die Tochter stirbt“, sagte Zaid Rauf, der die Beschuldigten gemeinsam mit Rudolf Mayer vertritt, im Vorfeld des Prozesses. Keinen Arzt zu holen, sei der Wunsch der 13-Jährigen gewesen.
Den Beschuldigten wird neben Mord durch Unterlassung auch das Quälen und Vernachlässigen einer unmündigen Person vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung drohen den beiden deutschen Staatsbürgern Freiheitsstrafen von zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslang.
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