Tauwetter nimmt Atomstreit Schärfe

Tauwetter nimmt Atomstreit Schärfe
Eine Art „Nachbarschaftsfrühling“ ermöglichte trotz aufrechter Differenzen erstmals eine agressionsfreie Diskussion.

Gleich zwei Überraschungen hielt eine hochrangig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Atomkraft Donnerstag Abend in Raabs im Waldviertel bereit: Zum einen verlief das Gespräch zwischen tschechischen und österreichischen Experten – trotz unvereinbarer Standpunkte – aggressionsfrei wie noch nie. Zum anderen fanden sich die Teilnehmer plötzlich in einem Grundsatzgespräch über eine – durch explodierenden Strombedarf – europaweit verschärfte Energiesituation wieder.

Die Risikoforscher Wolfgang Kromp und Emmerich Seidelberger sowie Nuklearkoordinator Andreas Molin machten unmissverständlich klar, dass sie Atomenergie für einen enorme Bedrohung halten. Auch, weil älteren Kraftwerken aktuelle Sicherheitsstandards fehlten.

Standpunkte

Tomáš Žák, Direktor des Atomkraftwerkes Dukovany, Dana Drábová, Vorsitzende der staatlichen Atomsicherheitsbehörde und Jiří Běhounek, Landeshauptmann der Region Vysočina, versuchten klarzumachen, dass ihr Land keine Alternative habe. Nach dem Fukushima-Unglück seien weitere Sicherheitsverbesserungen angelaufen.

„Ich wohne mit meiner Familie und bald auch Enkeln neben Dukovany“, erklärte Žák. Atomkraft sei einfach die günstigste Energiequelle. Und Tschechien habe Uranlagerstätten, die für bis zu 200 Jahre ausreichten, betonte der tschechische Botschafter in Österreich, Jan Koukal. Doch, das gab Drábová zu, der Abbau sei in der Vergangenheit unter unzumutbaren Bedingungen erfolgt.

„Bruttoinlandsprodukt und Stromverbrauch hängen zusammen, wenn eines sinkt, sinkt auch das andere. Das ist brutal, aber selbst Energiesparen kostet durch die Herstellung von Produkten viel Energie“, beharrte Žák. Immerhin könne Österreich den Eigenbedarf nicht decken.

Atomkraft verdrängt alternative Energien. Wir lassen unseren Kindern den Müll und nehmen uns den Profit“, kritisierte Risikoforscher Seidelberger. Seine Forderung nach „mehr Effizienz bei Atom- und kalorischen Kraftwerken“, begrüßten alle auf dem Podium. Hier hätten beide Staaten noch einiges zu leisten. „Ich halte es für einen Skandal, dass wir noch ständig steigenden Stromverbrauch haben“, betonte Molin. Öl und Kohle würden das Klima ruinieren, Atomenergie nicht helfen.

Friedlich

„Noch vor wenigen Jahren wäre ein so friedliches Gespräch zu dem Thema nicht möglich gewesen“, betonte der Raabser Bürgermeister Rudolf Mayer nach der von „Europa Brücke Raabs“ organisierten Diskussion erleichtert. Selbst das Grüppchen tschechisch-österreichischer Demonstranten, an dem die Teilnehmer vorbei marschieren mussten, wirkte freundlich

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