Straßenschild mit Nazi-Namen: Kurort tappte fast in nächste Falle

Straßenschild mit Nazi-Namen: Kurort tappte fast in nächste Falle
Gemeinde ließ Schilder abmontieren. Aber auch der neue Namensgeber dürfte eine braune Vergangenheit haben.

Es scheint so, als sei es gar nicht so einfach, einen prominenten Namensgeber für eine Straße ohne bedenkliche Vergangenheit zu finden. Im Kurort Semmering hat man jedenfalls diese unangenehme Erfahrung gemacht. Auf der Suche nach einer neuen Bezeichnung für die „Dr. Hermann Stühlinger Straße“ – ein prominenter Semmeringer Arzt mit NSDAP-Hintergrund – wäre die Gemeinde beinahe in das nächste Fettnäpfchen getreten. Fast wäre eine umstrittene Person bei der Namensgebung durch die nächste ersetzt worden.

Bei Recherchen zu seinem Buch „Am Semmering“ war der Künstler und Buchautor Richard Weihs auf Hinweise gestoßen, wonach eine Straße nach einem bekannten NSDAP-Arzt benannt war. Von der dunklen Vergangenheit Hermann Stühlingers wusste am Semmering aber so gut wie niemand. Im Gegenteil: Er genoss höchstes Ansehen und betreute in dem von ihm gegründeten Kurhaus bis zu seinem Tod 1996 Tausende Patienten.

Straßenschild mit Nazi-Namen: Kurort tappte fast in nächste Falle

Das Straßenschild „Dr. Hermann Stühlinger“ wurde entfernt

Nachdem sich die Vorwürfe bestätigt hatten, ließ Bürgermeister Hermann Doppelreiter (ÖVP) den Straßennamen sofort entfernen. Im Winter des Vorjahres sollte ein neuer Pate gesucht und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Doch der Tagesordnungspunkt war gestrichen worden.

Bumerang

Wie nun Weihs anprangert, entpuppte sich der Kandidat beinahe als geschichtspolitischer Bumerang. Die Gemeinde hatte die Semmeringer Skilegende Josef Wallner als Namensgeber vorgeschlagen. „Wie sich aber herausgestellt hat, hatte auch dieser Herr eine braune Vergangenheit. Also haben wir diesen Plan wieder fallen gelassen“, erklärt Doppelreiter.

Mehrere Jahre Zuchthaus

Wallner war dem Vernehmen nach nicht nur NSDAP-Mitglied, sondern auch zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Dass die Angelegenheit nun von Autor Richard Weihs an den KURIER herangetragen wurde, ist für Doppelreiter befremdlich: „Es waren vertrauliche Gespräche auf der Gemeinde, die hier nach außen getragen wurden.“ Bis zur Gemeinderatssitzung im Juni soll nun eine Lösung für die Straße gefunden sein.

Geht es nach Weihs, dann gibt es schon eine. Um der Gemeinde „eine weitere Blamage zu ersparen“, habe er die auf „Jüdische Geschichte in Österreich“ spezialisierte Historikerin Ingrid Oberndorfer um Hilfe gebeten. Zusammen sei man auf den vertriebenen Juden Dr. Viktor Hecht gestoßen. Er war ein für seine Naturheilverfahren bekannter Alternativmediziner, der das höhenklimatische Sanatorium Hotel Palace sowie das frühere Sanatorium Vecsei im Haidbachgraben geführt hat. Hecht wurde durch die Nazis enteignet und musste nach England flüchten, wo er 1969 starb.

Kommentare