Strafverfahren nach Rettungseinsatz

Strafverfahren nach Rettungseinsatz
Wiener wollte von Einsatzkräften nicht gerettet werden, das hatte für ihn ein gerichtliches Nachspiel.

VonPatrick wammerlFür gewöhnlich riskieren sie selbst ihr Leben, um in Bergnot geratene Menschen in Sicherheit zu bringen. Dieses Mal führte ein Einsatz vom vergangenen Winter Bergretter und einen Notruf-Disponenten sogar bis in den Gerichtssaal. Sie waren die Betroffenen und damit Zeugen eines bedenklichen Zwischenfalles, der im vergangenen Jänner für Schlagzeilen sorgte. Weil ein 54-jähriger Wiener in Begleitung von zwei entkräfteten Frauen sich spätabends am 2.076 Meter hohen Schneeberg (NÖ) partout nicht retten lassen wollte, kam es zu unschönen Szenen.

„Abwatschen“

Der Mann beflegelte die Einsatzkräfte und bedrohte den Leitstellen-Disponenten von Notruf NÖ: Sätze wie „Ich find' dich und watsch' dich ab“ wurden vom Tonband mitgeschnitten. Der 54-Jährige wurde kürzlich am Landesgericht Wiener Neustadt vom Vorwurf der versuchten Nötigung, gefährlichen Drohung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit freigesprochen.

Er hatte für den Richter plausibel erklärt, dass er aufgrund der Temperaturen in Bewegung bleiben wollte, um nicht auszukühlen. Deshalb habe er sich geweigert, das Eintreffen der Bergrettung um 21.20 Uhr abzuwarten. Was seine verbalen Entgleisungen betrifft, berief sich der Wiener auf die hoch emotionale Situation.

Laut Bergrettung kommen Fälle wie dieser immer häufiger vor. Meistens fürchten sich die Personen vor den Kosten des Rettungseinsatzes. Eine Person in Notlage kann allerdings nicht selbst entscheiden, wie sie im alpinen Gelände gerettet wird, heißt es bei der österreichischen Bergrettung. Wenn es beispielsweise zu einem kostspieligen Hubschraubereinsatz kommt, dann können dies die Geretteten nicht beeinflussen.

Strafverfahren nach Rettungseinsatz

Auffallend sei die immer stärker zunehmende „Vollkasko-Mentalität“. Das beobachtet auch der neue Landesgeschäftsführer der Bergrettung Niederösterreich/Wien, Lukas Turk. „Durch das Handy weiß jeder, dass er in den meisten Fällen gut und schnell Hilfe bekommt. Man geht so lange, bis nichts mehr geht und setzt dann einen Notruf ab“, erklärt Turk.

Wichtige Vorbereitungen für Ausflüge ins hochalpine Gelände werden oft völlig vernachlässigt. Gemeint ist damit die entsprechende Tourenplanung und eine Kontrolle, ob man auch das richtige Können für die gewählte Route mit sich bringt, oder wie das Wetter wird.

Hochbetrieb seit Corona

Auch in den Einsatzzahlen spiegelt sich der sorglose Umgang mit den alpinen Gefahren wieder. „Die Zahl der Bergung unverletzter Personen hat sich massiv erhöht“, schildert Turk. Bei gesamt 435 Einsätzen im ersten Halbjahr in Niederösterreich macht die „Unverletzten-Bergung“ bereits fast ein Viertel aus. 104 unversehrt geborgene Personen weist die Statistik in NÖ von Jänner bis Juli aus.

Generell herrscht derzeit Hochbetrieb in den Bergen. Nach dem Ende der corona-bedingten Ausgangssperren ist ein regelrechter Boom auf den Gipfeln zu erkennen. Damit steigt auch die Zahl der Rettungseinsätze, 20 pro Woche sind es derzeit allein in Niederösterreich. 1.343 Mitglieder halten rund um die Uhr den Betrieb der Landesorganisation aufrecht. Lukas Turk ist mit seinen 26 Jahren einer davon. Die meisten Freiwilligen opfern einen Großteil ihre Freizeit aus Enthusiasmus für die gute Sache und aus Liebe zum Bergsport, meint er.

Strafverfahren nach Rettungseinsatz

Bergretter Lukas Turk

„Ich bin als kleines Kind schon bei den Diensten meines Vaters mit dabei gewesen. Mit zwölf Jahren war ich das erste Mal am Großglockner“, schildert Turk, der im Juli Landesgeschäftsführer der Bergrettung NÖ/Wien wurde. Damit hat er sein Hobby und die große Leidenschaft auch zum Beruf gemacht. Dies sei auch der Grund, warum ein System, wie jenes der Bergrettung gut funktioniere. Es sind viele engagierte Individualisten, die ihr Herzblut in die Organisation stecken.

„Man sitzt im Bereitschaftsdienst nicht herum und fadisiert sich, sondern nutzt die Zeit und ist im Gelände unterwegs“, erklärt Turk, der in Reichenau an der Rax Dienst versieht – eine von 30 Ortsstellen der NÖ Bergrettung.

Zahlen & Fakten:

Im Notfall am Berg ist die Bergrettung unter dem Alpinnotruf 140 oder der europäischen Notrufnummer 112 zu rufen

8.958 Einsätze leistete die Bergrettung im Jahr 2019. Unter den Geborgenen waren 6.194 Verletzte und  2.203 Unverletzte

12.912 Mitglieder zählte die Österreichische Bergrettung  2019, darunter  783 Frauen. 1.343 Mitglieder (davon 145 Frauen) zählt die nö. Mannschaft; sie ist  die  drittstärkste hinter Tirol (4.574) und Salzburg (1.953)

7 Sicherheitstipps: Ehrliche Selbsteinschätzung, sorgfältige Tourenplanung, passende Ausrüstung, richtige Verpflegung, Wetter beachten, Tempo anpassen. Im Notfall: Ruhe bewahren, Erste Hilfe leisten, Notruf wählen

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