Au-Schlägerungen sind nun Fall für die Staatsanwaltschaft

„An die Staatsanwaltschaft St. Pölten“, steht in der Anschrift des Schreibens. Der Betreff: Verdacht des Verstoßes gegen §180 des Strafgesetzbuches – sprich eine „Vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt“.
Damit hat der Rechtsstreit rund um die Stockerauer Au einen neuen Höhepunkt erreicht. Denn in jenem Waldgebiet, das im Besitz der Stadtgemeinde ist, werden seit 2022 umstrittene forstwirtschaftliche Maßnahmen vorgenommen. Der Knackpunkt: Die Stockerauer Au ist Natura 2000-Gebiet und steht damit europarechtlich unter Schutz.
Weshalb die Arbeiten – diese umfassten die Entfernung von Bäumen und der Strauchschicht, eine Bearbeitung der Böden sowie Neupflanzungen – auch von Anfang an mit Skepsis beobachtet wurden. Von der politischen Opposition ebenso wie von Bewohnerinnen und Bewohnern.
Im Jänner 2023 wurde die EU-Kommission von den Vorgängen informiert, da die Gegner einen Verstoß gegen das geltende europäische Recht orteten. Ihrer Ansicht nach bräuchte die Stadtgemeinde eine naturschutzrechtliche Bewilligung sowie eine Naturverträglichkeitsprüfung.
Doch beides liegt der Stadtgemeinde nicht vor, und das aus gutem Grund, wie ÖVP-Bürgermeisterin Andrea Völkl stets betonte. Denn es handle sich um forstwirtschaftliche Erhaltungstätigkeiten aufgrund des Eschentriebsterbens im Auwald. Diese würden nicht nur dem Managementplan für das Europaschutzgebiet entsprechen, sondern laut Naturschutzgesetz auch keiner Bewilligung bedürfen.
„Keinerlei Einsicht“
Seit März 2024 ist die Stockerauer Au nun ein Fall für die Gerichte. Damals stellte die Bezirkshauptmannschaft fest, dass durch die Arbeiten kein Umweltschaden vorliege – woraufhin Beschwerde eingelegt wurde. Aktuell liegt das Verfahren beim Landesverwaltungsgericht.
„Wir warten auf ein Gutachten der Amtssachverständigen, das klären soll, ob ein Umweltschaden eingetreten ist“, erklärt Rechtsanwältin Fiona List, die die Gegner vertritt. Dazu zählen neben Bürgerinnen und Bürgern auch Vertreter der Grünen. Nach der letzten Verhandlung im April war für die Beteiligten klar: Es braucht härtere rechtliche Instrumente, um die Arbeiten zu stoppen.
„Die Rechtslage ist glasklar. Umso schockierender ist, dass die Gemeinde hier keinerlei Einsicht zeigt“, so die Anwältin. Sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden, sei dennoch kein leichtfertiger Schritt gewesen. Denn Kern der Sachverhaltsdarstellung ist, dass die Stadtgemeinde mit Vorsatz gehandelt hat. Die Begründung: Sämtliche Appelle, die Arbeiten einzustellen, seien nicht erhört worden. Dabei beziehen sich die Gegner auch auf Schreiben der Landesregierung aus 2019 sowie der EU-Kommission, die auf „rechtswidriges Handeln“ hingewiesen hätten.
Freiheitsstrafe
Die möglichen rechtlichen Konsequenzen sind beträchtlich: Für eine vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, je nach Schadenswert sogar bis zu fünf Jahren. „Die Gemeinde wurde als Verdächtige angezeigt. Die zentrale Person ist hier aber die Bürgermeisterin“, erklärt List.
Vorwürfe, die sich Stadtchefin Völkl nicht gefallen lassen möchte. „Eine vorsätzliche Schädigung des Naturschutzgebietes durch die handelnden Personen der Stadtgemeinde liegt in keiner Weise vor. Ich weise diesen Vorwurf auf das Schärfste zurück“, macht sie auf KURIER-Anfrage klar. Zudem seien keine Schreiben der EU-Kommission an die Stadtgemeinde gerichtet worden. Ebenso wenig hätte sich das Land NÖ 2019 auf die derzeitigen forstwirtschaftlichen Maßnahmen bezogen.
„Sämtliche naturschutzrechtlichen Verwaltungsverfahren, die gegen die Stadtgemeinde oder deren handelnde Personen gerichtet wurden, sind bis dato eingestellt worden. Deshalb wird nunmehr die Keule des Strafrechts geschwungen – dem äußersten Mittel in unserem Rechtssystem“, befindet Völkl.
Es liegt nun an der Staatsanwaltschaft, die Vorwürfe zu prüfen.
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