Stadtflucht Bergmühle: Von der Muße geküsst

Martin Rohla und Daniel Tarmann haben den jungen Franz Mayer-Heinsich (Mitte) auserwählt, um die Gäste der Stadtflucht abends zu bekochen.
Wo der Städter dem Stress entkommen und einfach nur genießen soll.

Es ist ein Zaun aus Brettern von einem alten Weinviertler Stadl, der den Unterschied macht. Wer durch das Eingangstor spaziert, begibt sich vom stressigen Alltag hinaus und ins lustvolle Leben hinein.

Stadtflucht Bergmühle: Von der Muße geküsst
Der Stadlzaun ist ein Symbol dafür, was die "Stadtflucht Bergmühle", der "Verein für Kochen und Muße im Grünen" in Kronberg im niederösterreichischen Weinviertel sein will. Ein Zufluchtsort, wo man den Job einmal vergisst und einen Nachmittag und Abend lang nur das macht, das man machen will.

Zeichnen. Oder Lesen. In der Sonne liegen. Oder im Gras schlafen. Essen. Plaudern. Schwimmen. Tretbootfahren. Spazieren. Schaukeln. Tischtennis spielen. Die Hendln füttern. Ein Glas Rosé trinken.

Im Jänner 2013 hat Martin Rohla den Verein "Stadtflucht Bergmühle" gegründet. Entstanden ist der Verein aus einer Idee, die Rohla gemeinsam mit seinem Freund Tobias Moretti geboren hat. Rohla betreibt in Kronberg, nur 25 Autominuten vom Zentrum Wiens entfernt, das Gut Bergmühle. Einen Bio-Bauernhof, auf dem fast ausschließlich alte Sorten anbaut werden.

"Wir wollten das, was wir produzieren, möglichst anspruchsvoll und ohne jede Zwischenstation verwerten", sagt Rohla. Deshalb hat er die "Gstettn" neben dem Bauernhof in die "Stadtflucht Bergmühle" umgewandelt. Hier stehen Wohnzimmergarnituren auf alten Perserteppichen mitten in der Wiese. Daneben eine Schaukel und ein rosa Tischtennis-Tisch. Mittendrin ein alter Öltank, der zum rosa U-Boot umfunktioniert wurde.

Müßiggang

Stadtflucht Bergmühle: Von der Muße geküsst
Wer in der Stadtflucht kocht, entscheidet der Verein. Was gekocht wird, der Koch. Nur aus eigenem Anbau oder aus der unmittelbaren Region muss es sein. Mario Soldo, der dort von Zeit zu Zeit auftischt, hat sich für einen toskanischen Wildschweinbraten entschieden. Das Wildschwein stammt aus dem 550 Hektar großen Jagdrevier der Stadtflucht. D as Gemüse, in dem der Braten schmort, wächst im eigenen Gemüsebeet. Sechs bis acht Gänge kocht jeder Koch. Wenn er die Glocke läutet, ist das Essen fertig. Wer will, holt sich einen Teller, wer nicht will, isst später. Fixe Küchenzeiten gibt es nicht.

Vor und nach dem Essen gibt man sich der Muße hin. Muße, dieses schwere Wort, ist das, worum es in der Stadtflucht geht. "Das blöde Wort Entschleunigung ist mir zu strapaziert, um es zu verwenden", sagt Martin Rohla. "Muße ist ein vergessenes menschliches Bedürfnis und nicht eine der vielen Begierden, die man heute so leicht mit einem Bedürfnis verwechselt."

"Muße kann bei uns jeder selbst definieren. Ob es jetzt im Gras liegen ist oder Pirouetten drehen", sagt Daniel Tarmann von der Stadtflucht. In der Stadtflucht geht es schlicht darum, einen schönen Tag im Grünen bei gutem Essen zu verbringen.

Ab 11. Juli ändert der Verein übrigens sein Konzept. Immer abends am Wochenende wird dort Franz Mayer-Heinisch kreative Speisenfolgen mit regionalen Produkten für bis zu 25 Personen zusammenstellen. Der 25-Jährige hat die renommierte Kochschule Cordon Bleu in London absolviert und bekocht die Gäste in der Stadtflucht– ausschließlich nach Reservierung – unter dem Motto "Walk on the wild side".

www.stadtfluchtbergmuehle.at

Der Eintritt zur Stadtflucht Bergmühle ist Vereinsmitgliedern vorbehalten. Für 15 Euro kann man eine Tagesmitgliedschaft abschließen. Für das Essen mit bis zu acht Gängen werden 28 Euro für Erwachsene, 12 Euro für Kinder verrechnet. Am Herd stehen etwa Mario Soldo, Haya Molcho, Miguel Henz. Die Mitgliedschaft für ein Jahr kostet 120 Euro. Derzeit hat die Stadtflucht 504 Mitglieder und ist noch bis 26. Oktober geöffnet. Freitag von 14 bis 22 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag von 11 bis 22 Uhr. Am 11. Juli startet das Abendlokal. Die Location kann auch für private Feiern gebucht werden.

Kronberg ist ein 500-Seelen-Ort im Bezirk Mistelbach im niederösterreichischen Weinviertel. Die Region ist geprägt von Weinbergen und Kellergassen. Wer dort einen angenehmen Tag verbringen will, dem sei ein Spaziergang durch die Weinberge oder ein Ausflug mit dem Fahrrad empfohlen. Danach lohnt es sich, bei den Heurigen und in den Kellergassen von Kronberg, Wolkersdorf oder Ulrichskirchen einzukehren. Die Kellergasse von Kronberg ist außerdem Teil des grenzüberschreitenden Projekts „Offene Kellergassen erzählen Geschichte(n)“. Anhand von je vier Musterkellergassen wird über die Geschichte der Kellergassen im Weinviertel und Südmähren erzählt.
Museum Eine Weinviertler Berühmtheit ist auch der Himmelkeller von Künstler Hermann Bauch. In dem Museum in Kronberg sind ein Urgeschichtemuseum, ein Konzertstadl mit sakralen und volkskundlichen Gegenständen, eine Galerie und eine Glas- und Mosaikwerkstätte untergebracht. Imposant sind auch das Kellerlabyrinth und das Weinmuseum mit einer der größten barocken Weinpressen im Weinviertel. Zusätzlich werden Führungen durch die Kellergassen mit anschließender Weinverkostung angeboten.

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