Eine Villa am Semmering und ihre Familiengeheimnisse

Eine Villa am Semmering und ihre Familiengeheimnisse
Im Haus von Richard Weihs steckt die Geschichte seiner jüdischen Familie. Jetzt hat der Wiener Liedermacher sie aufgeschrieben.

Seine Eltern haben sich in den frühen 50er-Jahren beim Autostoppen kennengelernt. Mutter Friederike, eine Sekretärin Anfang 20, stand mit einer Freundin am Straßenrand und streckte den Arm raus. Vater Richard, ein 31 Jahre älterer Industrieller, blieb mit seinem Rolls-Royce stehen. Ein paar Jahre später kam der erste Sohn Richard auf die Welt. Und gleich nach der Geburt musste der Herr Papa ins Gefängnis.

Die Familiengeschichte des Wiener Liedermachers und Kabarettisten Richard Weihs, geboren 1956, liest sich oft abenteuerlich wie ein Buch. Man weiß das, weil er eines geschrieben hat. „Zertrümmerte Erinnerung am Semmering“ heißt es, und eigentlich geht es darin um die Villa in Breitenstein am Semmering, wo Weihs die Sommer seiner Kindheit verbracht hat.

Eine Villa am Semmering und ihre Familiengeheimnisse

Richard Weihs vor der Villa, die er von 2002 bis 2004 liebevoll restauriert hat

Haus der Geschichte

Die Geschichte der Immobilie ist untrennbar mit der Geschichte seiner jüdischen Familie verbunden. Es geht um das Grauen des Nationalsozialismus und um die Grauzonen der Nachkriegszeit, um Arisierung und Restitution, Erinnern und Verdrängen: eine Villa als Haus der Geschichte. Verständlich, dass Weihs etwas weiter ausholen musste. Mehr als 400 eng bedruckte Seiten sind es geworden; und weil er noch viel mehr recherchiert hat, ist ein zweiter Band in Arbeit.

Der Vater, Richard Weiss, flüchtete 1938 nach England und wurde von dort als „Enemy Alien“ in ein australisches Lager deportiert. Nach seiner Rückkehr wurden ihm seine Anteile an der väterlichen Fettwarenfabrik in Wels restituiert. Dann aber wurde ihm übel mitgespielt: Mitaktionäre – ausgerechnet jene, die an der „Arisierung“ der Firma beteiligt gewesen waren – zeigten ihn an, er wurde wegen „illegaler Devisengeschäfte und Gewinnhinterziehung“ zu fünf Jahren Kerker verurteilt, von denen er drei absitzen musste. Danach änderte er seinen Namen, aus Weiss wurde Weihs.

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