Schnellstraßen: Projekte nehmen langsam Fahrt auf

Ab nächster Woche liegen die Unterlagen zur Einsicht öffentlich auf
Nach Bürgerprotesten starten im Marchfeld und im Bezirk Hollabrunn die Prüfverfahren.

Gleich vier schwere Kisten mit knapp 40 Ordnern lieferten die Asfinag-Mitarbeiter am Dienstag im Gemeindeamt von Deutsch-Wagram ab. "Ein Meilenstein für die notwendige Verkehrsentlastung", freut sich Bürgermeister Friedrich Quirgst. Seit Jahren fordern sowohl die Bürger im Marchfeld als auch im Norden von Hollabrunn den Bau einer Schnellstraße. Jetzt sind sie ihrem Ziel zumindest einen kleinen Schritt näher. Ab Freitag werden die Unterlagen zur S8 in den betroffenen Gemeinden öffentlich aufgelegt; die Auflage zur S3 folgt dann kommende Woche. Damit beginnen die Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Entlastungsstraßen. Bis Anfang September können Stellungnahmen zu den einzelnen Projekten abgegeben werden.

"Der Druck hat sich endlich bezahlt gemacht", ist Quirgst überzeugt. Zwei Jahre lang habe es kaum Informationen aus dem Verkehrsministerium gegeben. Der neue Zeitplan, der in der Vorwoche von der Asfinag präsentiert wurde, gibt nun endlich wieder ein wenig Hoffnung, fügt Walter Krutis, Bürgermeister von Raasdorf hinzu.

Skepsis

So mancher Ortschef bleibt dennoch etwas skeptisch. Schließlich kennt man das Prozedere schon von der S1. Für das zweite Teilstück wurde das UVP-Verfahren schon vor drei Jahren gestartet; bisher wartet man vergeblich auf den Bescheid. "Das Ministerium hat offenbar Angst vor Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und agiert wie der Hase vor der Schlange", verweist Krutis auf das langsame Behördenverfahren. Wegen der Vielzahl an Kisten und Unterlagen könne er sich mittlerweile einen eigenen Abstellraum zulegen. Immerhin lagern im Gemeindekeller schon Dutzende Akten zu Schnellstraßen- und Umfahrungsprojekten.

Jubelstimmung wollte auch nördlich von Hollabrunn nicht aufkommen. Denn eigentlich hätten für den Weiterbau der S3 (von Suttenbrunn bis Guntersdorf) schon heuer die Bagger zu graben beginnen sollen. Doch aus unerfindlichen Gründen begann das Projekt zu stocken und es gab auch keine Informationen mehr von der Asfinag. Mit Bürgerprotesten machten die verkehrsgeplagten Anrainer in den vergangenen Wochen auf ihre Belastung aufmerksam. "17.000 Fahrzeuge täglich – das ist zu viel", war das Credo.

Gebremst

Trotz des UVP-Starts sind die Reaktionen schaumgebremst. "Prinzipiell ist die Bewegung erfreulich. Aber von Versprechungen haben wir nicht viel, das hatten wir schon zu oft", sagt Wullersdorf-Bürgermeister Richard Hogl. Dem Bürgerform Guntersdorf ist der angepeilte Baubeginn 2016 zu weit weg. "Uns kommt alles wie eine Verzögerungstaktik vor. Auch wir werden weiter Druck machen." Notfalls wolle man die Transitroute auch blockieren.

Der Wissenschaft ihren Raum. Unabhängig von allen Zeitplänen zum Weiterbau der dreispurigen S3 von Hollabrunn nach Guntersdorf graben sich seit dem Vorjahr Archäologen in der Tiefe quasi durch die Vergangenheit bzw. durch die Spuren, die die Vergangenheit hinterlassen hat. Und es gibt zahlreiche Funde entlang der künftigen Trasse.
Etwa westlich von Wullersdorf. Nach der Sondierung und Präzisierung werden die Fundstellen seit dem Vorjahr freigelegt und dokumentiert. Gottfried Artner, Projektleiter von der Firma „Archäologischer Dienst“ spricht von Sensationsfunden, die fachlich und wissenschaftlich höchst interessant seien. „Es sind die größten Siedlungsanlagen aus der keltischen und germanischen Zeit im östlichen Weinviertel“, sagt Artner.
Bei Suttenbrunn fand man Hinterlassenschaften aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, die unmittelbar aus der Zeit vor der Schlacht von Austerlitz stammen dürften. Die Funde entlang der Trasse reichen von der Jungsteinzeit bis in die Jahrhunderte nach Christi Geburt. Die Spuren der „Ur-Wullersdorfer“ reichen an die 5000 Jahre zurück. „Das Weinviertel war schon immer eine interessante Siedlungsgegend“, sagt Arnter. Das hänge unmittelbar mit der Fruchtbarkeit der Böden zusammen. Was die Grabungen anlangt, ist man voll im Zeitplan. „Im Laufe des Sommers haben wir alles abgeschlossen“, sagt Artner. Die Highlights der S3-Funde sollen im Rahmen einer Sonderausstellung im St. Pöltener Stadtmuseum ausgestellt werden.

Im Gegensatz zu den Bürgermeistern sieht UVP-Experte Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation Virus durch die öffentliche Auflage der S8-Unterlagen (siehe Bericht oben) keinen Grund zu Freudensprüngen. Schon in den letzten Jahren musste die Asfinag den vorgelegten Zeitplan mehrmals nach hinten verschieben. „Die Wunschvorstellungen sind auch unter idealisierten Annahmen sehr ambitioniert“, sagt Rehm. Frühestens 2025 könne man demnach mit einer Realisierung rechnen. Zu viele Punkte seien noch offen und die kommenden Verfahrensschritte wären sehr zeitintensiv.
Von der Umweltorganisation wurden bisher immer wieder Bedenken wegen des Grundwassers eingebracht. Und erst in der Vorwoche wurde eine neue Lärmschutzverordnung vom Verkehrsministerium in Begutachtung geschickt. Laut ersten Informationen von Rehm wird darin festgelegt, dass anstatt von Medizinern künftig vom Minister festgelegt werden soll, was gesundheitsgefährdend ist. „Diese Verordnung hat schon bei der Eisenbahn nicht gehalten und wurde vom Verwaltungsgerichtshof beanstandet“, zieht Rehm einen Vergleich.
Die Hauptkritik ist für Rehm jedoch, dass Projekte, die nicht genehmigungsfähig sind, viel zu oft mit Krampf dazu gebracht werden. Darunter fallen eben auch die S1 und die S8.


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