Kaffee, Kuchen, Kriegserzählungen: St. Pölten setzt NS-Forschung fort

Kaffee, Kuchen, Kriegserzählungen: St. Pölten setzt NS-Forschung fort
Die Stadt lädt zu Erzähl-Cafés für Zeitzeugen und Nachkommen des Nationalsozialismus ein.

In regionalen Geschichtsbüchern und dem St. Pöltner Stadtarchiv lässt sich die nationalsozialistische Vergangenheit der Landeshauptstadt nachvollziehen. Aber nicht lückenlos, wie Stadthistoriker Thomas Lösch überzeugt ist: „Gerade in den Katastralgemeinden und dem Umland St. Pöltens gibt es vieles, das nicht in den Archiven erhalten ist.“

Denn um einen ganzheitlichen Blick in die Vergangenheit werfen zu können, müsse man auch zwischen den Zeilen der offiziellen Geschichtsschreibung lesen, so der Experte: „Es sind nicht nur die politischen Entwicklungen, sondern auch die Alltagsgeschichten der Menschen, die uns interessieren“, so Lösch.

Erzählte Geschichte

Ein Ansatz, den man nun auch in die aktuell laufende Forschung zum Nationalsozialismus in St. Pölten, die Lösch im Auftrag der Stadt begleitet, einfließen lassen möchte.

Deshalb fand am Freitag, 3. März, das erste Erzähl-Café im St. Pöltner Stadtmuseum statt. „Die Veranstaltung ist zum Mitmachen gedacht, nicht als Podiumsdiskussion“, betont Lösch im Vorfeld. Konkret soll die Gesprächsrunde bei Kaffee und Kuchen mit einer kurzen Einführung beginnen. Danach sind dann Besucher eingeladen, ihre eigenen Geschichten zu schildern.

Wissen weitergeben 

„Einerseits können es persönliche Erinnerungen von Zeitzeugen sein, die die NS-Zeit im weitesten Sinn miterlebt haben“, so Lösch. „Andererseits sind aber auch Nachkommen gerne eingeladen.“ Wissen sei laut dem Historiker nämlich in den Familien auch über Generationen bewahrt worden. In einigen Fällen reiche sie sogar noch bis in die Gegenwart: „Ein Familie aus dem St. Pöltner Umland hat heute noch Kontakt zu ukrainischen Zwangsarbeitern, die damals bei ihnen gearbeitet hatten“, erzählt Lösch.

Die Geschichten des „Erzähl-Cafés“ werden für die weitere wissenschaftliche Auswertung aufgezeichnet. Alle Ergebnisse fließen dann in eine neue wissenschaftliche Reihe über die NS-Zeit in St. Pölten, der erste Band wird 2024 erscheinen. Auch Fotos und Gegenstände können mitgebracht werden.

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