"Die Sache ist durch": So entstand das Regierungsviertel in St. Pölten

"Die Sache ist durch": So entstand das Regierungsviertel in St. Pölten
Der ehemalige Leiter des Medienservice, Peter Bylica, hat ein hoch interessantes Buch geschrieben.

Peter Bylica war lange Zeit Journalist und von 2004 bis 2009 als Leiter des Medienservice tätig. Jetzt fasste er die Geschichte der Entstehung des Regierungsviertels in St. Pölten zusammen. „Die landesweite Entwicklung rund um das Hauptstadtprojekt ist bleibendes Zeugnis dafür, was visionäre raumordnungspolitische Zielvorstellungen bewegen können", so der Autor.

Hier einige Einblicke in die Geschichte:

Niederösterreich sucht Identität

In Wien fühlte sich Niederösterreich anfangs eigentlich nur als Untermieter – ohne Identität, ohne Geld. Bürgermeister Helmut Zilk bot zwischen Herrengasse und Bankgasse für den Landtag und die niederösterreichische Landesverwaltung eine Art „Vatikanlösung“ an.

Niederösterreich strebte einen finanziellen Ausgleich an. Wien lehnte ab. Die Antwort: „Dann könnts Euch die Vatikanlösung auch behalten…“ Am 15. Februar 1984 trat der damalige Landeshauptmann Siegfried Ludwig schließlich die Diskussion um eine eigene Landeshauptstadt los.

"Die Sache ist durch": So entstand das Regierungsviertel in St. Pölten

Nach der Volksbefragung wurde angestoßen

Zu der Vision gab es anfangs selbst in ÖVP-Reihen große Skepsis. Auch der Koalitionspartner SPÖ signalisierte keineswegs nur Zustimmung. Ludwig und Karl Gruber, damaliger Landtagsabgeordneter und Bruder des roten Bürgermeisters von St. Pölten, liefen sich die Beine wund und warben für die Idee.

Mit der Volksbefragung am 1. und 2. März 1986 wurde eine Entwicklung eingeleitet, die mit der größten Übersiedlung eines Bundeslandes endete. Der Slogan dazu: Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft…“

Entscheidung in 30 Minuten

Lediglich 30 Minuten war die Bestellung des Managements für die Hauptstadtplanungsgesellschaft (NÖPLAN) Thema der angesetzten Regierungssitzung. Ludwig erklärte danach: „Die Sache ist durch. Also macht’s mir eine schöne Hauptstadt“. Norbert Steiner, der bis 1987 in München als Stadtplaner tätig war, wurde nach St. Pölten geholt.

Er erinnert sich: „Das Schöne war, dass nichts vorgegeben war, kein fixes Programm. So einen Planerauftrag gibt`s nur einmal in einer Generation“. Drei Standorte hatte man anfangs ins Visier genommen. Am Traisenfluss, das Areal vom NÖ Militärkommando und in Stattersdorf vis-a-vis des Lilienhofes.

Rechtzeitig vor dem Spatenstich waren die „Maulwurf-Historiker“ im Einsatz: Archäologinnen und Archäologen des Bundesdenkmalamtes legten zehn Meter breite „Suchschlitze“ an, die Entdeckung großartiger Funde zu Steinzeitsiedlungen blieb jedoch aus. Bei den städtebaulichen Überlegungen zum Regierungsviertel stand vor allem die Frage der urbanen Expansion, der Aufwertung der Altstadt von St. Pölten im Vordergrund. Ernst Hoffmanns Entwurf hat dem am besten entsprochen.

Als Norbert Steiner, Robert Sega und Peter Höss die Pläne zum Behördenverfahren einreichten, lag wahrlich eine Meisterleistung hinter ihnen: Mehr als 5.000 Laufmeter Papier mit 550 Grundrissplänen für 16 Häuser, dazu an die 1.000 Seiten Baubeschreibung. Dann lag er vor, der Baubescheid: Sieben Monate nach der Einreichung, fünf Jahre nach dem historischen Hauptstadtbeschluss. Die Planer zollten auch der Stadt Anerkennung: „Mit den früheren St. Pöltner Baudirektoren gab es am Magistrat gute Partner im Behördenverfahren“.

Musiker spielten auf

Der Weg zum denkwürdigen Spatenstich am 13. September 1992 war frei. 15.000 Blasmusikerinnen und Blasmusiker aus Niederösterreich spielten auf, als der Chronist den „Hauptstadtvater“ zur Mitte des ehemaligen Rennbahn-Stadiums führte. An beiden Händen je zwei Kinder aus den vier Vierteln des Landes, die alle einen Ziegelstein trugen. Als der Spaten das Erdreich aufgrub, schnellten über 1.000 blau-gelbe Ballon-Figuren in die Höhe und flatterten weit sichtbar.

Im November 1996 wurde der 1. Bauabschnitt des Landhausviertels schließlich eröffnet, bereits im September übersiedelten dazu die ersten 600 Landesbediensteten von Wien nach St. Pölten. „Als Flop erwies sich allerdings der Landhaus-Boulevard“, meint der Chronist. „Die BeamtInnen nützten die Einkaufsmöglichkeiten nicht wirklich“. Und: „Der Klangturm war anfangs Wahrzeichen und Aussichtsplattform. Ein Kunstwerk mit den drei kugelförmigen ‚Klangboxen‘. Jahre später allerdings legte die Kulturabteilung des Landes dann – angeblich wegen mangelnden Interesses – den Betrieb still“.

Höhepunkt im Juni 1998 war der Papst-Besuch. Peter Bylica: „An alles wurde gedacht. Es gab hinter der Bühne einen Container zum Waschen, Umziehen und Ausruhen. Verbunden mit einem weiteren Container, ausgestattet als Notfall-OP und Landeplatz für den Notarzt-Heli“.

Fakten

Regierungsviertel (oder auch Landhausviertel)

1986 Nach einer Volksbefragung wird St. Pölten zur Landeshauptstadt von Niederösterreich.
1992 Es erfolgt der Spatenstich unter Landeshauptmann Siegfried Ludwig.
1997 Nach Fertigstellung der meisten Bauteile konnte gesamte Landesverwaltung an die Traisen übersiedeln.
1998 Der Kulturbezirk mit Klangturm, Festspielhaus und Museum Niederösterreich wurden fertiggestellt.

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