Fälschlich als Amokläufer beschuldigt: 22-Jähriger klagt Facebook-User

AMOKLAUF IN GRAZ - LICHTERMEER AM WIENER STEPHANSPLATZ
Weil sie das Bild und persönliche Daten eines unschuldigen 22-Jährigen nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule teilte, muss Pensionistin 1.600 Euro zahlen.

Er erhielt Tausende Nachrichten, darunter auch Morddrohungen – dabei hatte er mit der Tat, die ihm unterstellt wurde, nicht das Geringste zu tun. Nach dem schrecklichen Amoklauf an einer Grazer Schule am 10. Juni dieses Jahres, war ein junger Steirer aufgrund eines ähnlichen Namens in sozialen Medien fälschlicherweise für den Attentäter gehalten worden.

Letztlich wandte sich der 22-Jährige selbst mit einem Video an die Öffentlichkeit, in dem er darum bat, in Ruhe gelassen zu werden. Der tatsächliche Attentäter hatte sich nach seinem Amoklauf in Graz selbst das Leben genommen.

Jetzt fordert der 22-Jährige Entschädigungen für den Hass, der ihm im Netz entgegenschlug. Er klagte all jene, die diffamierende Postings im Netz verbreiteten. Sie hatten auf Facebook und TikTok Namen und Foto des jungen Mannes geteilt und ihn damit "als mehrfachen Mörder von Kindern hingestellt“, wie sein Anwalt im ersten Prozess am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt die Klage begründete. "Etwas Schlimmeres kann einem kaum passieren."

"Wollte Posting löschen"

Verantworten musste sich hier eine Pensionistin aus dem Bezirk Gänserndorf, die ihr fragwürdiges Posting zu rechtfertigen versuchte. "Ich habe ja nicht gesagt, dass er ein Mörder ist, ich habe den Medien geglaubt, die das verbreitet haben", behauptete sie. "Ich habe noch versucht, das Posting dann wieder zu löschen, aber ich habe es leider nicht mehr gefunden."

Der fälschlich Beschuldigte fand es. Und viele weitere Facebook-User auch. Um einer gerichtlichen Verurteilung zu entgehen, stimmte die Pensionistin am Montag einem vom Kläger angebotenen Vergleich zu. Sie muss ihm 300 Euro Entschädigung bezahlen und die Anwaltskosten für das Verfahren - rund 1.300 Euro - übernehmen.

Freispruch für zweiten Beschuldigten

Weniger Erfolg hatte der 22-Jährige allerdings im zweiten Prozess am Montag. Ein Kärntner Pensionist beteuerte, nicht das diffamierende Posting der Frau aus dem Bezirk Gänserndorf weitergeleitet, sondern auf ein anderes - kurz darauf veröffentlichtes - reagiert zu haben. "Der hat wahrscheinlich noch schnell die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen, deshalb hat es gedauert, bis man bekannt gegeben hat, wer der Amokläufer war", schrieb der Pensionist - im Zusammenhang mit der inhaltlich ähnlich klingenden Wortmeldung eines Bekannten aus dem Bezirk Wiener Neustadt.

Die Behauptung des Kärntners sei nicht mit ausreichender Sicherheit zu widerlegen, begründete die Richterin den Freispruch für den Mann. Dessen Anwaltskosten muss nun der Steirer als unterlegener Kläger übernehmen.

Vom 22-Jährigen zur Verantwortung gezogen werden Menschen aller Altersgruppen und aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Darunter etwa auch ein Akademiker und Projektmanager. Gegen einen 86-jährigen Vorarlberger hat der Steirer allerdings die Klage zurückgezogen. Dieser konnte glaubhaft versichern, nicht hinter einem Posting in einer Facebook-Gruppe zu stehen. 

Denn der 86-Jährige besitzt lediglich ein Senioren-Handy und beteuert, er wisse nicht, was Facebook ist. "Das hat glaubwürdig geklungen", räumte Michael Rami, Anwalt des jungen Steirers, ein.

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