Das Duell im Kernland der ÖVP

APA10989110-2 - 30012013 - ST. PÖLTEN - ÖSTERREICH: THEMENBILD - Länderporträt Niederösterreich - Illustration zum Thema: "Niederösterreichische Landtagswahl 2013": Das Niederösterreichische Landhaus in St. Pölten am Dienstag, 15. Jänner 2013, in Niederösterreich. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Am 3. März wählt Niederösterreich. Der KURIER beleuchtet eine Woche lang die Hintergründe der Landtagswahl.

In 14 Tagen ist es soweit. Dann wird die wichtigste Frage dieser Wahl beantwortet: Hält die absolute Mehrheit der ÖVP oder verliert die Partei ihre Vormachtstellung, die sie zwei Legislaturperioden inne hatte? Nie zuvor war die Ansage der Mitbewerber, die Absolute brechen zu wollen, so klar wie dieses Mal.

Das hat sich nur bedingt abgezeichnet. In den vergangenen Jahren fielen auch wegen der absoluten Mehrheit Erwin Prölls in der Regierung (ÖVP, SPÖ und FPÖ) die meisten Beschlüsse einstimmig. Im NÖ-Landtag dagegen lieferten sich die Parteien heftige Wortgefechte. Besonders die Veranlagungsstrategie der Wohnbaugelder erhitzte die Gemüter. Dementsprechend angriffig gingen Rot, Blau und Grün auf Stimmenfang. Das Antreten von Frank Stronach, dessen Kandidatur in Niederösterreich den Höhepunkt einer persönliche Fehde mit Erwin Pröll markiert, verlieh dem Wahlkampf zuletzt besondere Würze.

Der Ausgang scheint bis dato offen. Diverse Umfragen bescheinigten der ÖVP zuletzt, dass sie den Fünfer vor dem Ergebnis knapp halten kann. Um die Absolute tatsächlich zu verlieren, müsste die ÖVP auf unter 48 Prozent abstürzen– vom derzeitigen Stand von 54,4 Prozent also mehr als sechs Prozent einbüßen. Die Situation wäre dann ähnlich dem Jahr 1993, als die Volkspartei das letzte Mal eine Landtags-Absolute verlor.

Das Duell im Kernland der ÖVP
Niederösterreichwahl, Wahlkampfauftakt Frank Stronach am 14.02.2013 in der Donauhalle Tulln Niederösterreich
Die Experten bewerten die Chancen der ÖVP, die Absolute zu behalten, durchaus positiv. Für den Politikberater Thomas Hofer ist es „nicht ausgeschlossen, dass es diesmal noch einmal geht“. – Trotz der neuen Konkurrenz durch Frank Stronach, trotz der Debatte um die Spekulationen und trotz der allgemein steigenden Mobilität von Wählern.

Der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer rechnet mit einer weiteren Absoluten der ÖVP. In der OGM-Umfrage für den KURIER Anfang Februar kommt die Pröll-ÖVP auf 51 Prozent.

Den Grund für diese Perspektive sehen die Experten im ausgeprägten Persönlichkeitswahlkampf. Pröll werde überparteilich positioniert, ausschließlich über die Landes-Identifikation und nicht über die Partei-Identifikation, analysiert Hofer. Auf den ÖVP-Wahlplakaten komme die ÖVP gar nicht vor. Damit würden Hürden abgebaut für Wähler, die die ÖVP eher nicht wählen würden. Das sei vor allem im Speckgürtel rund um Wien wichtig, wo es die ÖVP traditionell schwerer hat. So werde das „Leben der Absoluten künstlich verlängert“.

Gegenwind

Dazu kommt laut Bachmayer, dass Pröll mit der von ihm initiierten Heeres-Volksbefragung frühzeitig die Themenführerschaft übernommen habe. Beide sind allerdings überzeugt, dass der Landeshauptmann bei dieser Wahl einen viel stärkeren Gegenwind zu spüren bekommt als bisher. „Es ist nicht nur der Herr Stronach, der die ÖVP schwitzen lässt“, sagt Hofer. Beim Spekulationsthema sei die ÖVP in der Defensive, das tue durchaus „weh“. Die SPÖ sei angriffiger, auch die Grünen hätten mit der Korruption ein wirkungsvolles Thema. Allerdings könnten alle, auch die FPÖ, ihr Potenzial vor allem im Speckgürtel bisher nicht abholen.

Das Duell im Kernland der ÖVP
APA11465678 - 14022013 - SCHWECHAT - ÖSTERREICH: LH Erwin Pröll am Donnerstag, 14. Februar 2013, im Rahmen des Wahlkampfauftaktes der Volkspartei Niederösterreich in Schwechat. Am 03. März 2013 findet in Niederösterreich die Landtagswahl statt. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

OGM-Chef Bachmayer erwartet weitere Verluste für die SPÖ. In der letzten Umfragen erreichen die Roten nur 21 Prozent. FPÖ und Grüne stagnieren demnach.

Die drei bisherigen Oppositionsparteien haben zwei ernste Probleme:

Echte Sachthemen spielen im Wahlkampf kaum eine Rolle. Selbst bei der Spekulation geht es laut Bachmayer mehr um Stimmungen und Vertrauen, weniger um eine sachpolitische Auseinandersetzung. Die ÖVP setzt auf klare Verhältnisse, die anderen wollen die ÖVP künftig viel mehr kontrollieren. Hofer: „Entscheidend wird sein, welches Argument hier stärker zieht: ,Klarheit’, oder ,Macht braucht Kontrolle’.“

Das weit größere Problem für SPÖ, FPÖ und Grüne ist aber das Duell Pröll-Stronach, das sich immer mehr zuspitzt. Bei ihren Wahlkampfauftakten deckten sich Pröll und Stronach zuletzt gegenseitig mit Vorwürfen ein.

Die anderen Parteien sind bei dem Duell nur unbeteiligte Zuschauer. Dennoch sieht Bachmayer in Stronach bislang „nicht den wesentlichen Faktor“ im Wahlkampf. In der Umfrage liege er nur bei drei Prozent. Stronach habe aber nichts besseres passieren können, als dass sich Pröll persönlich auf „einen Watschentanz“ mit ihm eingelassen habe.

Männerfeindschaft

Dementsprechend ist Hofer überzeugt, dass die Auseinandersetzung beiden Duellanten nutzt. Für Pröll sei das der notwendige „Mobilsierungsschub“. Stronach bekomme mediale Präsenz. Der Austro-Kanadier riskiere durch sein persönliches Antreten in NÖ aber auch viel. Schließlich sei dieses Land bisher kein gutes Terrain für Protestparteien gewesen.

Warum sich die beiden überhaupt auf das Duell eingelassen haben? Bachmayer glaubt, dass die ÖVP-Spitze „nervös geworden ist“. Für Hofer ist das Duell Ausdruck einer „tief empfunden und lang gepflegten Männerfeindschaft“.

Lesen Sie morgen: Diese Gruppen machen Jagd auf die ÖVP-Absolute.

Am 3. März entscheiden die Niederösterreicher über die Vergabe von insgesamt 56 Landtagsmandaten. Die Abgeordneten werden in insgesamt 21 Wahlkreisen gewählt. Eine Partei hat die Chance, in einem dieser Wahlbezirke ein so genanntes Grundmandat zu erreichen – das setzt eine entsprechend hohe Zahl an gültigen Stimmen für diese Partei voraus. Gelingt es einer Partei nicht, in den Wahlkreisen Grundmandate zu gewinnen, hat sie dennoch die Möglichkeit in den niederösterreichischen Landtag einzuziehen – nämlich dann, wenn sie zumindest vier Prozent der landesweit gültigen Stimmen bekommt.

Absolute

Das Duell im Kernland der ÖVP
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In der Geschichte des Landesparlaments seit 1945 hatte die Volkspartei nur in zwei Legislaturperioden keine absolute Mehrheit(siehe Grafik).

Zuletzt kam die ÖVP auf 31 der 56 Mandate, die SPÖ hält, nach einem Absturz bei der letzten Wahl im Jahr 2008, bei aktuell 15 Mandaten. Die Freiheitlichen sind mit sechs, die Grünen mit vier Abgeordneten im Landtag vertreten.

Die Zahl der Wahlberechtigten liegt bei dieser Wahl laut Landtagsdirektion bei 1,403.772. Das sind um knapp 17.000 Wahlberechtigte mehr als 2008.

Vor fünf Jahren machten mehr als 74 Prozent der Niederösterreicher von ihrem Wahlrecht Gebrauch: mehr als 1,03 Millionen Stimmen wurden ausgezählt – nur 23.300 waren ungültig.

Detail am Rande: Die höchste Wahlbeteiligung gab es in Niederösterreich im November 1945: Damals gaben exakt 96,35 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab und wählten gleichzeitig einen neuen Nationalrat und den Landtag.

Der KURIER wird Sie in den kommenden Tagen des Intensiv-Wahlkampfes mit umfangreichen Informationen zur Landtagswahl versorgen. Im Zuge unserer Berichterstattung ist auch Ihre Meinung gefragt: Bei unserer großen Leser-Umfrage haben Sie die Möglichkeit, den künftigen politischen Lenkern mitzuteilen, wo im Bundesland dringender Handlungsbedarf besteht.

Der Fragebogen lag in den vergangenen Tagen als Wahl-Folder Ihrem KURIER bei. Wer noch weitere Exemplare benötigt, kann sich den Fragebogen auf der KURIER-Wahlplattform im Internet herunterladen.

Die Ergebnisse der Umfrage werden im großen KURIER-Wahlspecial am kommenden Sonntag, 24. Februar, veröffentlicht.

www.kurier.at/noewahl

Es ist die Zeit der harten Bandagen. Denn in den kommenden zwei Wochen geht es für alle wahlwerbenden Parteien um sehr viel. Landeshauptmann Erwin Pröll sieht sich einer breiten Front von acht Parteien gegenüber, die nur ein Ziel hat, die absolute Mehrheit der ÖVP zu brechen. Der Landeschef zeigt sich davon unbeeindruckt und will weiter der „stabile Faktor“ in der Landespolitik Niederösterreichs sein.

Genau um diesen Punkt geht es bei der Wahl am 3. März. Schaffen es die anderen Parteien, die Landeshauptmann-Partei klar unter die 50-Prozent-Marke zu drücken, braucht Erwin Pröll nach der Wahl einen Koalitionspartner. Findet er den nicht, könnten seine Gegner sogar einen anderen Landeschef küren. Laut Umfragen, wäre das sogar das Schreckgespenst für die meisten Niederösterreicher, die Pröll weiter als Landeshauptmann haben wollen. Eine Allianz von Rot, Blau mit Grün und Stronach ist aber sehr unwahrscheinlich. Zu weit liegen die Positionen dieser Parteien auseinander.

Bleibt die Frage, ob sich Pröll nach dem 3. März aus diesem Quartett einen Partner suchen muss. Die SPÖ wäre erste Adresse, da sie zweitstärkste Partei bleiben sollte. Ausgeladen hat sich Frank Stronach. Er hat nach der Wahl seine Mitarbeit im NÖ-Landtag ausgeschlossen.

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