Präventionsprojekt „Verrückt? Na und!“ in der Schule

46-215083391
Menschen, die beruflich und persönlich mit psychischen Krisen Erfahrungen haben, machen im Tandem Workshops.

Die Zwettlerin Lena Gölß ist 27 Jahre alt. Sie ist eine talentierte Künstlerin, sie arbeitet mit Ton, sie zeichnet, sie jongliert mit Worten – und sie lebt mit einer Krankheit: Bei ihr wurden Schizophrenie und eine Zwangsstörung diagnostiziert.

„Angefangen hat es im letzten Schuljahr in der Handelsakademie“, erzählt sie. Die Schülerin sah plötzlich Gestalten, die sonst niemand wahrgenommen hat. Die Matura konnte sie dennoch mit ausgezeichnetem Erfolg abschließen, doch dann kam der Zusammenbruch: „Als alle Strukturen weg waren, hatte ich die erste Psychose“, es folgten Waschzwänge, ein Suizidversuch.

Heute kann die 27-Jährige mit der Krankheit leben. Sie nimmt Medikamente, geht regelmäßig zur Therapie, arbeitet in einer psychosozialen Tagesstätte und wohnt allein in einer teilbetreuten Wohnung. „Ich habe jahrelang nicht darüber reden können, dass ich etwas sehe, ich habe extreme Scham empfunden, mich als Freak gefühlt“, so Lena Gölß. Heute will sie darüber reden. „Nur wer aus der Stille tritt, kann etwas bewegen“, deshalb ist sie Teil des Präventionsprojekts „Verrückt? Na und!“, das in Niederösterreich vom Psychosozialen Dienst (PSD) der Caritas St. Pölten und der Psychosoziale Zentren gGmbH umgesetzt wird.

Es ist ein kostenloser Workshop für Schulklassen mit Jugendlichen ab 14 Jahren, der das Thema psychische Gesundheit in die Schule bringt und zeigt, wie man psychische Krisen besser meistern kann.

„,Verrückt? Na und!’ gibt es schon seit über 20 Jahren in Deutschland, seit Anfang 2023 nun aber auch bei uns“, erklärt Projektleiterin Anna Entenfellner von der Caritas St. Pölten. Finanziert werde das Programm vom nö. Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS), anfangs konnten 20 Workshops im Jahr gemacht werden, heuer sind es 70 in ganz Niederösterreich.

Beratung im Tandem

„Die Nachfrage ist sehr groß, wir könnten dreimal so viele durchführen. Werbung brauchen wir keine machen. Wenn wir einmal in einer Schule waren, werden wir wieder gebucht“, so Entenfellner. Auch sie selbst hält diese Workshops. Aufgebaut sind sie so, dass ein Tandem in die Klasse kommt: zwei Menschen, die beruflich und persönlich mit psychischen Krisen Erfahrungen haben. Das sind etwa Psychologinnen und Psychologen, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Menschen, die selbst psychische Krankheit erfahren und gemeistert haben – wie Lena Gölß.

„Hätte ich als Schülerin jemanden gehabt, der mit mir über diese Themen gesprochen hätte, hätte ich vielleicht früher reagiert. Mir war nicht bewusst, dass das eine Krankheit ist“, erzählt sie. Der PSD der Caritas hat derzeit zehn aktive Teams, die in Schulen gehen. Laut Entenfellner soll demnächst ein weiterer Ausbildungslehrgang starten.

Nach einem abgehaltenen Workshop steht das Tandem den Schülerinnen und Schülern für Einzelgespräche zur Verfügung, außerdem werden kleine Handbücher mit Infos verteilt, wo man in der jeweiligen Region Hilfe bekommt, etwa bei Gewalt, Mobbing, Sucht- und Sexualitätsthematiken. „Jedes Mal kommen ein oder zwei Jugendliche mit Fragen auf uns zu – oft fragen sie für einen Freund“, so die Initiatorin. Ihr Zugang: „Ja, es gibt Krisenzeiten, aber ich kann vorbeugend etwas tun, um nicht so tief hineinzugleiten bzw. wieder herauszukommen.“

Kommentare