100 Beamte gehen auf die Reise
Auch in Niederösterreich sind die Würfel gefallen: 21 von 202 Dienststellen werden geschlossen (siehe Bericht hier). Landespolizeidirektor Franz Prucher betonte aber einmal mehr, dass „nicht eine Planstelle abgezogen“ werde. Viel mehr soll die Außendienstpräsenz seiner Beamten steigen und die Bürokratie reduziert werden. „Sicherheit hängt nicht an einem Gebäude, sondern an der Organisation, um rasch vor Ort zu sein.“
In Summe sind im Bundesland rund 100 Beamte von den Postenzusammenlegungen betroffen. Während die jeweiligen Postenkommandanten die Reform nicht kommentieren durften, erläuterten ihre Vorgesetzten das Modell „Moderne Polizei“ umso ausführlicher. Ab 1. Juli soll es laut Polizei-Vize Franz Popp keine Dienststellen unter fünf Planposten mehr geben. Ideal wären mittelgroße Einheiten mit 15 bis 20 Personen.
„Wichtig ist, dass wir damit das Sicherheitsniveau im Land weiter heben und die ausgezeichnete Arbeit unserer Exekutiv-Beamten unterstützen“, kommentiert Landeshauptmann Erwin Pröll die Schließungspläne. Er erwarte sich mehr Polizeipräsenz auf der Straße, deutliche Eindämmung der Kriminalität‚ – „vor allem entlang der Hauptverkehrsrouten und in Grenznähe“ – sowie eine Verstärkung des Personals.
Politstreit
In der Landespolitik geben die Schließungspläne Anlass zum Streit. Während den Grünen 21 gesperrte Posten zu viel sind und ihnen ein Sicherheitskonzept fehlt, freut sich die SPÖ, „weil es gelungen ist, einige Härtefälle abzuwenden.“ Die FPÖ ortet überhaupt einen sicherheitspolitischen Staatsbankrott, was die ÖVP zur Feststellung treibt: „Ginge es nach den Blauen, dann sollten wohl besser Schreibtische bewacht werden.“
In den betroffenen Regionen werden jetzt Gespräche mit den Bürgermeistern geführt. Dort könnten so genannte Polizeistützpunkte entstehen. Die Kosten dafür tragen aber die Gemeinden. Die Gemeindevertreter-Verbände von Schwarz und Rot haben aber bereits klar gemacht, dass sie keine vollwertigen Polizeiposten finanzieren wollen. Aufenthaltsräume für Polizisten in Gemeindeämtern zu finden, sei jedoch kein Problem.
Selbst der vorauseilende Gehorsam nutzte nichts mehr. Als Ende vergangener Woche erste Informationen darüber durchsickerten, dass Puchberg am Schneeberg (Bezirk Neunkirchen) seine Polizeiinspektion verlieren könnte, hat die Volkspartei binnen zwei Tagen 1071 Unterschriften gegen die Schließung gesammelt. Das sind immerhin die Hälfte aller Wahlberechtigten im Ort. Geändert hat dies an den Plänen jedoch nichts mehr.
Die sechs Beamten von Puchberg werden in Zukunft im zwölf Kilometer entfernten Willendorf ihren Dienst versehen und nur noch mit dem Auto auf Visite kommen. SPÖ-Bürgermeister Michael Knabl, der Dienstagfrüh durch einen Anruf des KURIER von der definitiven Schließung erfahren hat, ist über das Vorgehen bitter enttäuscht. Puchberg ist durch den Schneeberg einer der beliebtesten Tourismusorte in NÖ. Mit 80.000 Nächtigungen und 157.000 Fahrten mit der Zahnradbahn in einer Saison sei der Ort ein Tummelplatz für Ausflügler und Touristen. „In der Hochsaison haben wir bis zu 3000 Tagesgäste. Da ist die Präsenz von Ordnungshütern unbedingt erforderlich“, so Knabl, der nun eine Petition verfassen will. ÖVP-Obmann Martin Hausmann bekrittelt außerdem die weiten Anfahrtswege: „Im Winter braucht die Polizei dann 40 Minuten nach Puchberg“.
Erst im Dezember 2013 hat Werner Neubert, Bürgermeister von Weitersfeld, Bezirk Horn, einen neuen Polizeikommandanten im Ort begrüßt. „Der hat sich damals nur gewundert, dass er noch kein Ernennungsdekret hat, obwohl ihm schon viele Politiker gratulierten“, erzählt Werner Neubert. Jetzt weiß er, warum. Die Dienststelle mit vier Beamten wird geschlossen.
Dabei hatte der ÖVP-Gemeindechef der Parteikollegin und Innenministerin einen so netten Brief geschrieben, als erste Gerüchte um eine mögliche Postenschließung durchsickerten. „Ich bitte Dich inständig, uns das nicht anzutun“, hatte Neubert geschrieben und angeboten, dass die Gemeinde sich an der Miete für die Dienststelle beteiligt. Genützt hat das aber nichts. „Ein Protest wird wohl nichts nützen“, seufzt er resignierend.
„Unsere Beamten haben sich immer so engagiert und die Serie von Bauernhofeinbrüchen durch ihre Ermittlungen beendet. Jetzt verwendet man das gegen uns: Wir haben zu wenig Delikte, heißt es“, erzählt der enttäuschte Bürgermeister.
„Der nächste Posten ist in Geras, die Grenze offen. Bis da einer kommen kann, wenn eingebrochen wird, dauert es. Für die Sicherheit ist das nicht gut“, meint Sonja Wagner aus der Katastralgemeinde Fronsburg.
Die Gerüchteküche brodelte schon seit Wochen; die örtliche ÖVP hat vorsorglich mehr als Tausend Unterschriften gegen die Schließung der Polizeiinspektion Klosterneuburg-Weidling gesammelt. Genützt hat es nichts: Die kleine Dienststelle soll es ab 1. Juli nicht mehr geben.
In ganz Klosterneuburg – mit 32.000 Haupt- und Nebenwohnsitzern immerhin die drittgrößte Stadt Niederösterreichs und zudem der Wohnsitz von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner – verbleibt dann eine einzige Polizeiinspektion. Zum Vergleich: In St. Pölten (52.000 Einwohner) gibt es fünf Wachzimmer, in Wiener Neustadt (40.000) sind es vier.
Die Weidlingerin Christine Mendel erfährt vom KURIER von der bevorstehenden Schließung: „Das ist furchtbar, der Posten hat uns eine gewisse Sicherheit gegeben. In Weidling wird doch viel eingebrochen.“ Eine einzige Polizeiinspektion für ganz Klosterneuburg sei zu wenig, befindet Mendel.
Eine Meinung, der sich auch Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager (ÖVP) anschließt: „Es gibt in ganz NÖ keine Dienststelle, die für mehr Menschen zuständig ist.“ Schmuckenschlager ist sichtlich enttäuscht: „Mit uns wurde im Vorfeld nicht einmal geredet.“ Er fordert einen „Sicherheitsstammtisch“, wo Polizeispitze und Ministerium den Bürgern ihre Argumente erläutern.
Personalvertreter Michael Scharf sagt, mit den zusätzlichen sechs Kollegen aus Weidling sei man in der Dienststelle Klosterneuburg räumlich „an der Grenze des Erträglichen“ angelangt.
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