Sie heißen Nelson, Benjamin, Emilio, Elvis oder Fredi, sind Pferde, Esel, Hunde oder Schafe und mit 80 anderen Tieren auch Hilfspädagogen in einem erfolgreichen Pionierprojekt. Aber in erster Linie sind sie Kumpel und Freunde von Kindern und Jugendlichen. Mit teils schwierigen Erlebnissen, Belastungen und Ängsten im Gepäck, sind diese zu den Tieren auf den Hof von Martina Kotzina mitten im Mostviertel gekommen.
Die Einrichtung „Esperanza“ (spanisch für Hoffnung) bei Oberndorf/Melk ist Österreichs Vorzeigeprojekt und Kompetenzzentrum für tiergestützte Pädagogik. Morgen, Samstag, wird in dem Partnerbetrieb der Kinder- und Jugendhilfe mit einem bunten Fest und Tag der offenen Tür (11 bis 18 Uhr) das 25-jährige Bestehen gefeiert.
Esel und Maultiere, die am Vorplatz zum Hof friedlich Gras zupfen, Kunekune-Schweine, die aus einem Holunderwäldchen hervorgrunzende sowie Hühner und Enten begrüßen die Besucher. Gepflegte Anlagen, Gehwege und tiergerechte luftige neue Holzställe mit weitläufigem Auslauf bestimmen den nächsten Eindruck. „Eine soziale Einrichtung muss gepflegt sein. Wenn jemand schon mit innerem Chaos zu uns kommt, dann tut’s gut, wenn außen Harmonie herrscht“, erklärt die Esperanza-Gründerin.
Vernetztes Team
Acht Jugendliche im Alter von elf bis 18 Jahren leben derzeit hier, gehen zur Schule oder befinden sich in Ausbildung. 21 Betreuungskräfte, von Pädagogen über Sozialhelfer, aber auch Tierpfleger und Hofbetreuer bilden ein vernetztes Team. „Wöchentlich einmal kommen wir alle trotz der Diensträder zusammen und besprechen uns“, alle müssen zum Wohl der Kinder am selben Strang ziehen, so Martina Kotzina.
Die heilende Wirkung von Tieren auf Menschen begann sie beim Studium der Erziehungswissenschaften und Sonderpädagogik in Wien zu interessieren. Lediglich die Hippotherapie habe es damals gegeben, erzählt Kotzina.
Die Reportage in einem Mickey Mouse-Buch und ihre anschließende Exkursion zu den Green Chimney-Farms in New York State (USA) fachten ihr Feuer für die tiergestützte professionelle Arbeit mit Kindern an. Es folgten ihre Diplomarbeit zum Thema und schließlich die Esperanza-Gründung in NÖ.
Als Pionier-Betrieb ist Esperanza in Intensität und Vielfalt der Tiere, mit denen gearbeitet wird, einzigartig in Österreich. Gesunde, 365 Tage im Jahr umsorgte Tiere, die oft mit den selben traumatischen Schicksalen, wie die Menschenkinder, auf den Hof kommen, sind das Prinzip im System.
Harmonie
„Ein Zwiespalt zwischen den Bedürfnissen der Tiere und unseren Jugendlichen wäre kontraproduktiv für den pädagogischen Erfolg“, sagt Kotzina. Dafür seien die Ergebnisse dieser Arbeit und die Wirkung der Tiere auf ihre Schützlinge vielfach sensationell. Junge Menschen, denen es nicht möglich ist, am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, lernen im Umgang und in der Arbeit mit den Tieren wieder Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, das Einhalten von Regeln oder den Umgang mit Vorgesetzten.
„Es ist faszinierend, denn die Tieres erkennen genau, ob ihr Gegenüber gerade die forschere Art oder Sanftheit und Zutraulichkeit braucht“, schildert die Esperanza-Chefin. Umgekehrt beschert es Jugendlichen Freude und Selbstbestätigung, wenn es gelingt, ruppige Vierbeiner zu treuen Gefährten zu wandeln. Gut gelaunt bestätigen das Lea und Chantal. Ein kurzer Ruf und eine Schar von Schafen umringt sie. „Sie wissen genau, wann Kuschelzeit angesagt ist“, schwärmen sie. Während Chantal die Lehre zur Tierpflegerin am Hof macht, arbeitet Lea mit, um ihre Ausbildung in der Pferdefachschule Tullnerbach vorzubereiten.
Finanzierung
Auch wenn NÖ das einzige Bundesland ist, das die Tier-Pädagogik im Normkostenmodell berücksichtigt, reichen die Mittel der öffentlichen Hand nicht zur Finanzierung dieser zwar effizienten, aber aufwendigen Arbeit. Kotzina ist auch da erfinderisch. Zwei neue Wohnwaggons werden nun als Urlaubsparadies unter Tieren angeboten. Seminare, ambulante Tier-Pädagogik oder Eselwanderungen und natürlich Spenden bringen Geld in die Esperanza-Kassa.
„Die Mensch-Tier-Beziehung entwickelt sich weiter, es klopft etwas Neues an“, ist die Pionierin Kotzina überzeugt.
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