Pflegeskandal bleibt straffrei: "Ein Freibrief"

Gerda Pfeiffer hatte höllische Schmerzen
Schmerzen im Heim: Keiner ist schuld, dass betagte Frau bis auf die Knochen wund gelegen war.

Für den Justizsprecher der SPÖ, Johannes Jarolim, ist es "ein Freibrief für jegliche Verantwortungslosigkeit."

Das Landesgericht Wr. Neustadt hat den Pflegeskandal in einem Privatheim in NÖ zu den Akten gelegt. Es wird niemand dafür zur Verantwortung gezogen, dass die 93-jährige Gerda Pfeiffer aus Pottenstein bis auf die Knochen wund gelegen war (der KURIER berichtete) und wochenlang höllische Schmerzen erleiden musste.

Erst bei der Verlegung der demenzkranken Frau im Juli 2015 in das besser ausgestattete Landespflegeheim stellte man fest, dass das Gewebe rund um das Gesäß bereits nekrotisch war und schlug Alarm. Gerda Pfeiffer wurde ins Spital gebracht und notoperiert. Am 16. August starb sie.

Pflegeskandal bleibt straffrei: "Ein Freibrief"
Rechtsanwalt Lachmann Interview mit Hrn. Pfeiffer, Redakteur: Ricardo Peyerl, Fotograf: Nicholas Bettschart
Ihr Sohn Karl Pfeiffer erstattete – unterstützt vom Wiener Rechtsanwalt Josef Lachmann – Anzeige gegen das Personal des privaten Pflegeheimes wegen Vernachlässigung. Er hatte angenommen, dass seine pflegebedürftige Mutter dort in den besten Händen ist.

Keine Medikamente

Die Staatsanwaltschaft ermittelte nur halbherzig. Der mit einem Gutachten beauftragte Gerichtsmediziner Wolfgang Denk vermisste zwar eine intensive Behandlung sowie die Verabreichung von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten und hielt eine viel frühere Überweisung ins Krankenhaus für angezeigt. Trotzdem wurde das Verfahren eingestellt. Schon damals begehrte SP-Justizsprecher Jarolim von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) Auskunft und wurde damit vertröstet, die Anklagebehörde habe eben keine Anhaltspunkte für eine Vernachlässigung gefunden.

Anwalt Lachmann beantragte bei Gericht die Fortführung des Verfahrens und bekam nun eine Abfuhr. In dem abweisenden Beschluss wird aufgelistet, was das Pflegeheim an "Vollbetreuung für betagte Menschen" anpreist: "Tägliche Pflegevisite, wöchentliche Hausarztvisite und bei Bedarf Akutversorgung." Eine "diplomierte Krankenschwester und ein Pflegehelfer" hätten sich um Gerda Pfeiffer gekümmert. Daraus schließt das Gericht unerfindlicher Weise, dass es sich "um kein Pflegeheim, sondern lediglich um ein Wohnheim für Personen handelt, die ein gewisses Maß an Betreuung bedürfen."

Dem Pflegepersonal wird zugute gehalten, dass "die massive Verschlechterung des Hautzustandes nicht in diesem Ausmaß zu erkennen, aber auch nicht zu beherrschen war." Ein sorgfaltswidriges Verhalten könne daher nicht nachgewiesen werden. Jarolim sagt dazu: "Das kann man nur als Sarkasmus bezeichnen, als Zynismus der Sonderklasse. Wenn jemand de facto bei lebendigem Leib verfault, dann kann man dem Pflegepersonal nicht zumuten, das zu erkennen? Dazu muss man nur ein einfacher Mensch mit Gefühlen sein und braucht keine medizinischen Kenntnisse."

Für Jarolim ist die "Grenze zur Skandalität" erreicht, er plant eine weitere parlamentarische Anfrage an Brandstetter.

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