Orthopädin macht den Tieren Beine

Großer Moment: Hirtenhund Maxi bekommt von Tierfreundin Mader die längere Prothese.
Egal ob Hirtenhund oder Perserkatze: Mirjam Mader fertigt Prothesen für behinderte Tiere.

Ihr Mobiltelefon bellt, die Kundschaft auch. Mirjam Mader hat aus ihrem Beruf eine Berufung gemacht. Die 32-jährige Orthopädin macht behinderten Tieren im wahrsten Sinn des Wortes Beine. Mader fertigt Beinprothesen und auch ganz spezielle Rollstühle für gelähmte Hunde.

Absurd? Oder gar falsch verstandene Tierliebe? "Nein", sagt die überzeugte Tierfreundin. Während früher multiple Knochen- oder Hüftbrüche nach einem Verkehrsunfall das sichere Todesurteil für einen Hund bedeuteten, kann die Veterinärmedizin heute einiges retten. "Die meisten Tiere sind lebensfroh. Das ist auch der Beweggrund und die Argumentation der Leute, um mich zu konsultieren", sagt Mader. Die Entscheidung, ob ein Behelf gemacht werden kann, sei nicht immer leicht. Die Letztentscheidung liege ohnehin bei ihr. "Es gibt Grenzen des Machbaren."

Gelernt hat die gebürtige Deutsche das Handwerk des Orthopädie-Mechanikers und Bandagisten in Bayreuth. Mit ihrem nunmehrigen Mann lernte sie Wien bei einem Urlaub kennen und man blieb 2006 "aus Abenteuerlust" hängen.

Neuland

Orthopädin macht den Tieren Beine
Othopädin macht den Tieren Beine
In Stockerau fertigte Mader Prothesen und Behelfe für Menschen. Eines Tages kam eine Kundenanfrage, ob sie nicht spezielle Hundeschuhe fertigen könne. "Der Hund hatte eine Lähmung im Vorderfuß und scheuerte sich die Krallen ab", sagt Mader. Sie tüftelte und bastelte herum und hatte schließlich die richtigen Patschen für den Vierbeiner. Das sprach sich herum. Die Anfragen wurden immer mehr.

Bald kam der erste gelähmte Hund, der einen "Rollstuhl" brauchte. "Ich musste dafür alles selber bauen", sagt Mader. Ihre perfektionistische Veranlagung kam ihr entgegen. "Am Markt gibt es einiges, das gut aussieht, aber nicht funktional ist."

Mittlerweile betreibt die Tier-Orthopädin eine eigene Werkstatt im Hof ihres Hauses in Absdorf im Bezirk Tulln. Die Patienten kommen aus ganz Österreich und sogar aus dem Ausland. "Ich hatte schon Patienten aus Deutschland, der Schweiz und aus Kroatien", sagt Mader und dann läutet die Glocke an der Eingangstür.

Nächster Kunde

Maxi, ein ungarischer Puli, ist der Nächste. Besitzerin Hilde Mitschko hat das Tier, dessen linker Vorderfuß komplett verstümmelt ist, von einem Tierschutzverein aus Ungarn. "Maxi war ein Versuchshund", erzählt die Frau. Dann dürfte der sechsjährige Rüde unter die Räder eines Autos gekommen sein.

Orthopädin macht den Tieren Beine
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Fortan quälte sich das Tier auf drei Beinen durchs Hundeleben. Das ging zwar irgendwie. "Aber sein Rücken war richtig verkrümmt", erzählt Mitschko. Und die Verkrüppelung drückte dem Hund auch aufs Gemüt. "Maxi war sehr ängstlich. Wenn ein anderer Hund gekommen ist, hat er sich hinter mir versteckt."

Vor einigen Wochen bekam Maxi die erste Prothese – für den Anfang eine kürzere, "damit er nicht stolpert", sagt Mader. Ohne sich in Details zu verlieren, aber der Fußersatz ist ein kleines technisches Meisterwerk.

Handarbeit

Nach einem Gipsabdruck muss Mader den Ersatz aus Plastik und Hartschaum modellieren, samt Klettverschlüssen und Polsterungen. Modellieren, schleifen und nähen.

Viele Arbeitsstunden gehen drauf, bis der Gehbehelf fertig ist. "Mit einer Prothese ist es so wie mit einem Wanderschuh", sagt Mader. "Sie muss passen." Druckstellen gilt es zu verhindern. Anders als beim Menschen muss Mader für den Hund entscheiden, ob die Prothese perfekt sitzt.

Anprobe

Maxi hat mittlerweile die längere Prothese angelegt bekommen. Zur Probe darf der Puli in den Hof. Nach einigen wackeligen Schritten stolziert der Hirtenhund auf dem Rasen herum, wackelt aufgeregt mit dem Stummelschwänzchen und bellt, als wollte er sagen: "Passt". "Ja, sieht gut aus", sagt auch Mader.

Die Behelfe haben auch ihren Preis. Eine Beinprothese kostet bis zu 500 Euro, ein Rolli je nach Größe des Hundes zwischen 600 und 700 Euro. www.tierschuh.at

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