"Original Play" darf in Niederösterreich nicht mehr tätig sein

"Original Play" darf in Niederösterreich nicht mehr tätig sein
Die Stadt Wien empfahl den Einrichtungen die Einstellung der Kooperation, das Bildungsministerium arbeitet an Qualitätsstandards.

Nach massiver Kritik am Verein "Original Play", bei dessen Kursen fremde Erwachsene mit Kindern in Kindergärten und Schulen auf Matten am Boden "irritierend spielen", darf der Verein in Niederösterreich ab sofort nicht mehr tätig sein. Die Stadt Wien empfahl den Einrichtungen die Einstellung der Kooperation. Im Bildungsministerium wurde am Freitag betont, dass man an Qualitätsstandards arbeite.

Auch die Bildungsdirektion Oberösterreich empfiehlt Schulen, auf die Zusammenarbeit mit "Original Play" zu verzichten, sagte Bildungsdirektor Alfred Klampfer gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Einheitliche Qualitätskriterien für die Arbeit mit Kindern waren quer durch alle politische Parteien und Organisationen gefordert worden, seit am Donnerstag bekannt wurde, dass bei Kursen des Vereins fremde Erwachsene mit Kindern in Kindergärten und Schulen auf Matten am Boden "irritierend spielen". Das Bildungsministerium fühlt sich durch die Vorfälle in seinem Vorhaben, Qualitätskriterien auszuarbeiten, bestärkt, hieß es gegenüber der APA.

"Intimität und Individualität von Kindern darf nicht tangiert werden - das ist ein Grundsatz, der in allen pädagogischen Einrichtungen uneingeschränkt eingehalten werden muss", betonte man im Ministerium. "Für Körpererfahrung und Gewaltprävention gibt es pädagogische Konzepte, die ohne diese Grenzüberschreitung auskommen."

Die niederösterreichische Bildungs-Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) gab via Aussendung bekannt, dass die Weisung mit dem Verbot am Freitag veranlasst wurde. "Hier geht es um unsere Kinder und die Sicherheit der qualitätsvollen Betreuung in den Einrichtungen des Landes und dabei ist rasches Handeln angesagt", hielt Teschl-Hofmeister fest.

Schwerwiegende Vorwürfe

Auch das Wiener Rathaus ist dagegen, den umstrittenen Verein "Original Play" zu engagieren. Die im Raum stehenden, schwerwiegenden und beunruhigenden Vorwürfe hätten die Wiener Kinder- und Jugendhilfe und die Bildungsdirektion veranlasst, eine Empfehlung an alle Kindergärten und Schulen auszusprechen, die Kooperation mit dem Verein einzustellen, hieß es am Freitag. Die Stadt selbst habe eine entsprechende Anfrage von "Original Play", in den städtischen Kindergärten tätig zu werden, im August 2018 abgelehnt. In städtischen Einrichtungen dürfen jedenfalls fremde Personen nur im Beisein von Pädagoginnen oder Pädagogen in einer Gruppe anwesend sein, wurde versichert. Wenn ein Verdacht bestehe, dass der Verantwortung für Kinder nicht in vollem Umfang nachgekommen wurde, "werden die zuständigen Behörden dem unverzüglich und mit voller Intensität nachgehen", betonte Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

Es liege grundsätzlich in der Verantwortung der Kindergartenbetreiber, welche pädagogischen Zusatzangebote zugekauft werden. Der jeweilige Träger habe, so betonte der Stadtrat, sicherzustellen, dass das Wohl der Kinder nicht beeinträchtigt werde.

Die Kinderfreunde, die über zehn Jahre mit "Original Play" zusammengearbeitet haben, stellten angesichts der Berichte die Kooperation ein. "Wenn auch nur der leiseste Verdacht besteht, dass da etwas sein könnte", stehe der "Schutz der Kinder im Vordergrund", sagte Kinderfreunde-Geschäftsführer Christian Morawek am Freitag gegenüber Ö1. Allerdings habe man die gesamte Zeit mit nur zwei Personen, einem Mann und einer Frau, zusammengearbeitet.

Noch kein Termin

Auch die Diakonie kündigte am Freitag an, bis zur Klärung der Vorwürfe nicht mehr mit "Original Play" zusammenzuarbeiten. Auf der Website des Vereins sind für Wien künftige Termine in einer Diakonie-Einrichtung online. Doch im heurigen Schuljahr sei noch kein einziger Termin zustande gekommen, sagte die Sprecherin. Prinzipiell sei aber festzuhalten, dass die vergangenen "Spieltermine" immer in Anwesenheit der pädagogischen Leitung der Einrichtung stattgefunden haben und "auch von den Eltern gut angenommen wurden". Die Kinder hätten dabei gelernt, miteinander zu spielen und zu rangeln, ohne sich zu verletzten. Negative Vorfälle habe es mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter überhaupt keine gegeben.

Bei "Original Play" dürfen Erwachsene mit ihnen fremden Kindern rangeln, berichteten ORF und ARD am Donnerstag. Laut Experten könnte das eine "Einladung" zum Missbrauch sein. Der Verein ist in zahlreichen Kindereinrichtungen in Österreich aktiv. Spielgruppen gibt es etwa in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol, Vorarlberg und der Steiermark.

In Deutschland gab es bereits Ermittlungen wegen konkreter Missbrauchsvorwürfe von Eltern, in Bayern und Hamburg warnen Behörden inzwischen offiziell vor dem Verein. "Original Play" selbst betonte am Freitag auf seiner Homepage, dass für sie die Kritik an den Medienberichten nicht nachvollziehbar sei, "weil uns keinerlei Vorfälle bekannt sind. Seien Sie versichert, dass unser erstes Interesse immer dem Schutz der Kinder gilt", hieß es dort. Der Gründer von "Original Play", Fred Donaldson, wies im Gespräch mit dem ORF und der ARD zurück, dass seine Methode Kindesmissbrauch möglich mache.

"Reflektiert und kritisch"

"Original Play" ist bereits seit mehreren Jahren Mitglied in der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Sollte es einen konkreten Verdacht gegen den Verein geben, werde die Mitgliedschaft ruhend gestellt, kündigte Caroline Culen, Geschäftsführerin der Kinderliga, im Gespräch mit der APA an. Man sei jedenfalls bereits seit längerem bezüglich dieser Causa mit dem Verein im Gespräch, nachdem erste Vorwürfe in Deutschland laut wurden. "Original Play" sei aufgefordert worden, sich "dem Thema Kinderschutz in der eigenen Organisation verstärkt zu widmen", sagte Culen. Außerdem müsse der Verein "reflektiert und kritisch auf das eigene Konzept schauen". Die Psychologin betonte, dass der Fall "gesamtgesellschaftlich besprochen werden muss". Die Workshops des Vereins fanden und finden bereits in zahlreichen Kinder- und Jugendeinrichtungen statt. "Es ist wichtig, das gesamtgesellschaftlich zu diskutieren, ist das in Ordnung oder ist das nicht in Ordnung", sagte Culen.

Quer durch alle Parteien wurde am Freitag die Forderung nach einem österreichweit einheitlichen Qualitätsrahmen für Kinderbetreuungseinrichtungen laut. Dies verlangten unter anderem die SPÖ-Bildungssprecherin und ehemalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid sowie Ewa Ernst-Dziedzic, Grüne Nationalratsabgeordnete und stellvertretende Klubobfrau der Grünen. Beide forderten auch eine rasche Aufklärung der Vorwürfe, ebenso wie die NEOS. Die Wiener FPÖ urgierte die sofortige Auflösung des Vereins.

Auch der Katholische Familienverband (KFÖ) verlangte eine strengere Überprüfung von Vereinen. KFÖ-Vizepräsidentin Astrid Ebenberger forderte außerdem die von Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) angekündigte Akkreditierungsverfahren mit verbindlichen Qualitätskriterien für pädagogisch tätige Vereine ein.

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