„Ohne Familie ist es einfach kein richtiges Zuhause“

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Junger Afghane verließ Heimat wegen der Taliban. In Maria Enzersdorf fand er Sicherheit.

Kühl ist es hinter den Klostermauern. Musik oder Lachen hallt durch die Gänge. Burschen spielen Tischfußball und Tischtennis. Auf den ersten Blick würde niemand ahnen, dass hier auch Trauer und Unglück zu Hause ist.

Im Kloster von St. Gabriel in Maria Enzersdorf, Bezirk Mödling, sind seit kurzem junge Flüchtlinge zwischen 14 und 21 Jahren in einer Caritas-Wohngemeinschaft untergebracht. Die Jugendlichen mussten ihre Familien zurücklassen und haben oft Traumatisches erlebt.

Einer von ihnen ist Abdullah Khan Ahmadzai. Der 17-Jährige aus Afghanistan lebt seit zehn Monaten in Österreich. Sein Zimmer in der WG ist karg. Ein Bett, ein Schreibtisch, eine Couch. Nackte Wände. Aus seiner Heimat hat er nichts mitgebracht. Er floh mit den Sachen, die er am Leib trug. Warum? „Mein Vater ist bei den Taliban“, erzählt er stockend. Er habe ihn zwingen wollen, ein Selbstmordattentat zu verüben. Da sei er abgehauen. Seine Mutter und fünf Geschwister hat er zurücklassen müssen. „Ich vermisse sie jeden Tag“, erzählt er mit Tränen in den Augen. Ein bis zwei Mal pro Monat erreicht er sie am Telefon.

Im Lkw versteckt

Versteckt im Laderaum eines Lkw passierte er die österreichische Grenze. Seit Mai lebt Abdullah Khan nun mit rund 28 Jugendlichen aus sechs Nationen in St. Gabriel. Sie werden von Sozialarbeitern, Pädagogen und Psychologen während ihres Asylverfahrens betreut.

Der 17-Jährige will nun schnell Deutsch lernen, um die Schule nachzuholen. Und er brennt für Kricket. „Hier will aber niemand mit mir spielen“, erzählt er und präsentiert stolz seine Ausrüstung. Deswegen sei er einem Team von außerhalb beigetreten. In Maria Enzersdorf fühlt er sich wohl, seine Heimat kann die WG aber nicht ersetzen. „Ohne Familie ist es kein richtiges Zuhause“, sagt er traurig.

Das Caritas-Team rund um Martin Schelm bemüht sich sehr, den Jugendlichen eine Perspektive bieten zu können. „Einer unserer 15-Jährigen ist zum Beispiel ganz stolz, dass er in die Schule gehen darf und dass er schon selbstständig den Fahrplan lesen kann“, berichtet er. Zudem bereite ein Koch die Speisen mit den Jugendlichen zu, damit sie etwas über Ernährung lernen. Die Zutaten werden im Gemüsegarten angebaut. Eine ungewöhnliche Erfahrung für die Burschen. „Das Essen in Österreich ist schon seltsam“, meint etwa Abdullah Khan. Nicht schlecht, aber er müsse sich erst daran gewöhnen.

In der Wohngemeinschaft für junge Flüchtlinge der Caritas in St. Gabriel, Maria Enzersdorf, ist Platz für 30 Minderjährige sowie 10 junge Erwachsene. Derzeit leben knapp 3370 Asylwerber in NÖ, 178 davon sind minderjährig. Das Bundesland erfüllt seine Asylquote zu etwas mehr als 84 Prozent.

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