„Es ist ein schönes Gefühl, in Freiheit leben zu können“, sagt Murad Mahou. Der 19-Jährige sitzt auf einer verwitterten Bank im Park des BRG/BORG St. Pölten, die Vögel zwitschern, es riecht nach Sommer. Er genießt diesen Moment sichtlich.
Tage der Ungewissheit
Dann erzählt Mahou von Bomben und Panzern, die er und seine Familie in Syrien hinter sich gelassen haben. Vom Krieg und der anschließenden Flucht in die Türkei, dann weiter nach Griechenland, die Todesangst auf dem wackeligen Boot im Mittelmeer und die Gefangennahme in Ungarn, die Tage und Stunden der Ungewissheit.
Das war im Jahr 2015, als sich die Mahous entschlossen hatten, ihr altes Leben in Syrien hinter sich zu lassen, um ein neues Leben in Europa zu beginnen.
"Ich bin stolz, dass ich das geschafft habe"
Heute, fünf Jahre später, hält der Murad Mahou sein Maturazeugnis in Händen. „Ich bin stolz, dass ich das geschafft habe. Ich habe wirklich viel dafür getan“, sagt er.
Migrationshintergrund
Tatsächlich ist die Leistung des 19-Jährigen beachtlich. Denn laut Migrationsbericht des Bundes für das Jahr 2019 hatten 25 Prozent der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung mit Migrationshintergrund maximal einen Pflichtschulabschluss gegenüber 10 Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund.
Während der Anteil der ausländischen Schüler in Sonderschulen (23 Prozent) und in Polytechnischen Schulen (22 Prozent) relativ hoch ist, liegt er in den maturaführenden Lernschmieden gerade einmal bei rund 10 Prozent (siehe Kasten rechts).
Engagierte Pädagogen halfen
„Ich hatte aber auch ein gutes Umfeld, das mir sehr geholfen hat“, sagt Mahou. Denn ihre erste Unterkunft in Österreich fand die Familie in einem Pfarrhof, eine engagierte Nachbarin lernte mit ihm Deutsch.
„Die Sprache ist sehr schwer zu erlernen. Ich habe versucht, jede Regel zu verinnerlichen und mir die Fälle zu merken.“ Auch die Pädagogen engagieren sich sehr für den Schüler. „Michaela Higatsberger, meine Lehrerin, hat sich für mich immer Zeit genommen und war sehr geduldig. Bei ihr möchte ich mich ganz besonders bedanken.“
„Mehrwert“
In die Schulgemeinschaft sei er gut aufgenommen worden, er habe schnell Freundschaften schließen können, sagt der Maturant. „Viele waren an meiner Geschichte interessiert, dem Leben in Syrien, warum wir uns zur Flucht entschieden hatten.“
Mehrwert
Für die Direktorin des BRG/BORG St. Pölten, Gertrud Aumayr, brachte der Schulbesuch des gebürtigen Syrers auch „einen Mehrwert für die ganze Klasse“. „Man muss aber dazusagen, dass das nicht immer so gut funktioniert. Murad ist ein sehr offener Mensch, hat sich toll entwickelt. Es ist schon erstaunlich, was er in den vergangenen Jahren geleistet hat“, berichtet Aumayr.
Blick in die Zukunft
Für die Zukunft hat sich der 19-Jährige jedenfalls viel vorgenommen. Er will neugierig bleiben, lernen und erfolgreich sein, erzählt er. Im Herbst will er sich für ein Medizinstudium anmelden. „Es wird viele Bewerber geben, aber ich will es unbedingt versuchen.“ Sein großer Traum sei es, Arzt zu werden. Er wolle anderen helfen, etwas Sinnvolles tun.
Schwer verletzt
Dann erzählt Mahou von dem Tag, als er seine Großmutter ins Spital bringen musste. Sie sei bei einem Bombenangriff durch die Rebellen schwer verletzt worden und musste operiert werden. „Diese Bilder haben sich in mir eingebrannt, die vergisst man einfach nie. Ich will so etwas nie wieder erleben.“
Deshalb wolle er auch unbedingt in Österreich bleiben. „Vielleicht gehen meine Eltern wieder irgendwann zurück nach Syrien, doch ich will hier bleiben.“
Neue Ziele
Dann verlässt Murad Mahou das Schulgelände in St. Pölten, sein Maturazeugnis hält er dabei fest in seinen Händen. „Die Schule wird mir fehlen, meine Freunde natürlich auch.“ Jetzt will er seine neu gesteckten Ziele erreichen, in seiner neuen Heimat, die ihm Sicherheit bietet.
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