Kampf um Notarztstützpunkte in NÖ: "Es geht um Menschenleben"

Christina Schwarzböck, Leiterin der Retzer Bezisksstelle des Roten Kreuzes, verfasste im Namen aller betroffenen Regionen einen Offenen Brief zur Erhaltung der Notarztstützpunkte. Unterstützung erhält sie dabei vom Retzer Bürgermeister Stefan Lang (r.) und Pulkaus Altbürgermeister Manfred Marihart.
"Wir kämpfen alle für dasselbe System, darum haben wir uns zusammengetan", sagt Christina Schwarzböck, Leiterin der Rot-Kreuz-Bezirksstelle in Retz (Bezirk Hollabrunn). Sie war es, die sich an alle Bezirksstellen gewandt hat, die von einer geplanten Schließung des Notarztstützpunktes betroffen sein werden. Denn der Gesundheitsplan 2040+ für Niederösterreich enthält nicht nur die Reformierung der Spitalslandschaft. Die Notarztstützpunkte sollen ebenfalls reduziert werden. Statt derzeit 32 soll es nur noch 21 geben.
Geplant sei die Schließung neben Retz in Groß-Enzersdorf (Bezirk Gänserndorf), Hainburg (Bezirk Bruck/Leitha), Klosterneuburg, Purkersdorf (Bezirk St. Pölten), Waidhofen/Ybbs und Ybbs (Bezirk Melk).
In einem offenen Brief an die Politik fassten die Bezirksstellenleiter "die Ängste und Nöte aus der Praxis zusammen", erklärt Schwarzböck. Unterschrieben ist dieser auch von den meisten Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden. "Ich bin als Bürgermeister von den Retzer gewählt worden und darum bin ich für die Region da. Wir sind nicht da, um etwas von oben nachzubeten", bezieht der Retzer Stadtchef Stefan Lang (ÖVP) deutlich Stellung.
Was sind die Probleme in der Praxis? Speziell in der Grenzregion Retz, dass nicht viel Hilfe aus dem Norden zu erwarten sei. Und wenn ein Notarzt aus dem benachbarten Tschechien anfährt, dann gebe es in der Praxis oft Kommunikationsprobleme.
Das angepriesene Telenotarzt-System klinge nur in der Theorie gut. "Es kann nur den Sanitäter vor Ort unterstützen. Trotzdem darf dieser nicht die Handlungen eines Arztes ausführen", betont Schwarzböck, dass dies keinesfalls ein Ersatz für einen Notarzt vor Ort ist. Außerdem brauche es dafür Handyempfang, der, zumindest im Retzer Land, nicht flächendeckend gegeben ist.
Da geplant ist, dass viele Einsätze künftig durch Notfallsanitäter allein abgewickelt werden sollen, wird im Abschlussbericht des Gesundheitsplans 2040+ darauf hingewiesen, dass eine Ausbildung zum diplomierten Notfallsanitäter etabliert werden soll. "Die gibt es in Österreich noch nicht", weiß Schwarzböck. In Deutschland ist diese Ausbildung aber ein dreijähriges Studium. In Österreich werden die Notfallsanitäter in zwölf Wochen ausgebildet. Sollte eine solche Ausbildung wie in Deutschland gefordert werden, sei das "der Tod fürs Ehrenamt" sind Schwarzböck und ihre Kollegen überzeugt.
Was ihr und dem Bürgermeister wichtig ist: Es soll nicht ein Notarztstützpunkt gegen den anderen ausgespielt werden. Jeder einzelne sei wichtig. "Es geht hier nicht um Parteipolitik. Es geht um Sicherheit und um Menschenleben", ergänzt Manfred Marihart. Der ehemalige Bürgermeister von Pulkau (ÖVP) ist heute Obmann der NÖ Senioren im Retzer Land.
Er verhandelte den Bau der Rot-Kreuz-Bezirksstelle noch, als Wolfgang Sobotka zuständig war. "Wir Retzer-Land-Gemeinden waren damals bereit, einen höheren Betrag zu bezahlen, um den Notarztstützpunkt hier halten zu können. Wir haben's gemacht, weil es um die Sicherheit geht", betont Marihart.
Es gab bereits einen Termin mit den Bürgermeistern der Region - parteiübergreifend - bei der zuständigen Landesrätin Eva Prischl (SPÖ). "Ich weiß, sie hat einen geringen Spielraum, weil der Gesundheitsplan vom Landtag beschlossen worden ist", weiß Schwarzböck. Aber: "Der Landtag sollte noch einmal darüber nachdenken. Eine Entscheidung kann man revidieren." Da nicken Lang und Marihart. Letzterer hat bereits das Gespräch mit dem Landtagsabgeordnetem der ÖVP aus dem Bezirk gesucht und deutlich gemacht: "Es geht auch um sein Mandat. Das bekommt er nicht vom Land, sondern vom Bezirk ..."

Setzen sich für den Erhalt der Notarztstützpunkte in NÖ ein (v.l.): Manfred Marihart, Stefan Lang und Christina Schwarzböck.
Als das Pressegespräch am Montagvormittag stattfand, war der Notarzt gerade im Einsatz. In Riegersburg, einer Katastralgemeinde von Hardegg. Von Retz aus ist der Notarzt in 20 Minuten vor Ort. Startet er in Hollabrunn, sind es um die 45 Minuten. "Es gibt einfach keine adäquate Maßnahme, um das Aufzufangen, was die Notärzte leisten", spricht Leiterin der Retzer Bezirksstelle von einer eklatanten Verschlechterung der Notfallversorgung in allen sieben betroffenen Regionen.
Rotes Kreuz: "Bedenken muss man ernst nehmen"
Vonseiten des NÖ Roten Kreuzes übt man sich in Zurückhaltung. Präsident Hans Ebner befinde sich derzeit in intensiven Verhandlungen, lässt Sprecher Andreas Zenker wissen. Er habe es ermöglicht, dass das Rote Kreuz nun in einer Projektgruppe eingebunden ist, die die Rahmenbedingungen erarbeitet. "Wir verstehen den offenen Brief, das sind Ängste der Bürger und unserer Mitarbeiter und Ehrenamtlichen. Die muss man ernst nehmen", betont Zenker.
Kein Spielraum, was Notarztstandorte betrifft
Gesundheitslandesrätin Prischl beschäftigt sich fast rund um die Uhr mit diesem Thema. "Wir verstehen die Aufregung", sagt ihr Sprecher Anton Heinzl. Doch die Landesrätin setze nur das um, was im Landtag beschlossen worden ist. "Wir haben keinen Spielraum, was die Anzahl der Standorte betrifft", macht er deutlich. Jetzt gehe es darum, letzte organisatorische und rechtliche Fragen zu klären. Denn es sei ein ganzes Bündel an Maßnahmen umzusetzen, um ein modernes Notarztsystem zu etablieren. "Wir wollen alles abklären, bevor wir es der Öffentlichkeit präsentieren", versichert Heinzl, dass intensiv daran gearbeitet werde.
Aus dem Büro der Gesundheitslandesrätin heißt es weiterhin, dass noch nicht fix sei, welche Standorte geschlossen werden. Wann wird es fix sein? "In Kürze", sagt Heinzl.
Auch ÖVP und FPÖ reagierten auf die Schließungspläne: "Die für das Rettungswesen zuständige SPÖ-Landesrätin Eva Prischl trägt die Verantwortung, das Notarztsystem in Niederösterreich weiterzuentwickeln und auf neue Beine zu stellen", meint etwa ÖVP-Landesgeschäftsführer Matthias Zauner. Es sei ein "richtiger und wichtiger Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen", dass nun eine Steuerungsgruppe eingesetzt wurde, die die letzten offenen Fragen klärt.
Notarztsystem muss funktionieren
"Klar ist auch: Der zugrundeliegende Gesundheitsplan wurde im Landtag von VPNÖ, FPÖ, SPÖ, NEOS und teilweise den Grünen gemeinsam beschlossen. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, die nächsten Schritte transparent zu setzen und sachlich zu kommunizieren", so Zauner.
In die selbe Kerbe schlagen die Blauen: „Wir begrüßen, dass sich jetzt nochmals alle wesentlichen Beteiligten an einen Tisch setzen. Wir alle tragen Verantwortung für eine flächendeckende, bestmögliche Versorgung. Wichtig ist, die Diskussion auf einer sachorientierten Ebene zu führen“, meint FPÖ-Gesundheitssprecher, Landtagsabgeordneter Richard Punz. Das Land brauche ein Notarztsystem, das funktioniert und schnell beim Patienten sei. "Alles andere wäre fahrlässig und dafür sind wir nicht zu haben."
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