Niederösterreich: Schwarze Front gegen „Pendlersteuer“

Wie das „gallische Dorf“ ist Wien von streitbaren niederösterreichischen ÖVP-Mandataren umzingelt.
In den Bezirken rund um Wien formiert sich Widerstand, Betroffene werden mobilisiert.

An der Wiener Stadtgrenze ist Schluss – hier endet die Kernzone bei den Öffis, Busse der Wiener Linien kehren um. Und die U-Bahnen hätten aus Sicht vieler Niederösterreicher näher an den Stadtrand rücken sollen. Beispiel Ausbau U1: Statt nach Rothneusiedl, wo Platz für eine große Park-&-Ride-Anlage gewesen wäre, wurde sie nur bis Oberlaa verlängert.

Bei der Zusammenarbeit in Sachen Verkehr zwischen Wien und NÖ war bereits in der Vergangenheit Luft nach oben. Der aktuelle Vorschlag Wiens grüner Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, eine Citymaut einzuführen, schlägt tief in dieselbe Kerbe. Rund um Wien formiert sich nun eine breite – schwarze – Front gegen die Pläne. Pendeln doch rund 414.550 Menschen aus dem Umland mit dem Auto in die Bundeshauptstadt.

„Die Citymaut ist nichts anderes als eine Pendlersteuer“, ärgert sich der Landesgeschäftsführer der ÖVP NÖ, Bernhard Ebner. Betroffene hätten 500 Euro Mehrkosten pro Jahr. Landesrat Ludwig Schleritzko hatte von 250 Millionen Euro an Kosten für NÖ gesprochen. Gemeinsam mit den Mandataren der Wiener Umlandbezirke sollen nun die Pendler gegen die Pläne mobilisiert werden. Mittwochfrüh wurden erstmals Info-Flyer verteilt; Betroffene werden aufgerufen, auf der Homepage der Volkspartei NÖ ihre Meinung zu deponieren.

Der Raum Wien sei ein Lebens- und Wirtschaftsraum, der 2,9 Millionen Menschen aus drei Bundesländern erfasse, erklärt Ebner. „Jeder vierte niederösterreichsche Arbeitnehmer hat einen Job in Wien, jeden vierten Job in Wien macht kein Wiener.“ Statt nur „dagegen“ zu sein, müsse man gemeinsame Lösungen finden, richtete Ebner Vassilakou aus. Die Citymaut-Idee sei „kleingeistig, engstirnig und kurzsichtig“. Die grüne Politikerin ist Gegnerin des Lobautunnels, der Bau einer weiteren Schnellbahn-Stammstrecke in Wien habe für sie keine Eile. Für NÖ wiederum haben die Maßnahmen Priorität, ebenso wie die U-Bahn-Verlängerung ins Umland und der Bau und Ausbau von S1, S8, A22 bei Stockerau und A4 bis Neusiedl/See, wie Ebner aber auch die Landtagsabgeordneten Gerhard Schödinger aus Wolfsthal und René Lobner aus Gänserndorf betonen.

"Warum eigentlich, Herr Ebner?"

Park-&-Ride

Änderungen der VOR-Tarifzonen oder die Reaktivierung von Nebenbahnen ist für die ÖVP derzeit aber kein Thema, wobei Ebner dem Vorschlag von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), ein Österreich-Ticket nach Modell des Wiener 365-Euro-Jahrestickets zu schaffen, nicht abgeneigt ist.

In erster Linie setzt NÖ allerdings auf den Ausbau von Park-&-Ride-Anlagen. 38.500 Stellplätze gibt es in NÖ bereits. „So viel wie in allen anderen Bundesländern zusammen“, sagt der Perchtoldsdorfer Ortschef Martin Schuster, dessen Gemeinde nur ein Straßenzug von Wien trennt. Für ihn ist es eine soziale Ungerechtigkeit, wenn jene, die nach Wien pendeln müssen, „bestraft“ werden. An 46 Standorten seien weitere Stellplätze in der Pipeline, in Perchtoldsdorf 66 Auto- und 88 Fahrradplätze.

Generell hat das Land aus ÖVP-Sicht bereits viel für die Pendler getan – etwa mit S-Bahn-Taktverdichtungen oder der Erhöhung der täglichen Sitzplatzanzahl um 33.000 auf rund zwei Millionen Sitzplätze, betont Korneuburgs Bürgermeister Christian Gepp. „Heuer investiert das Land 80 Millionen Euro für Bahn- und Bus.“

Für den Klosterneuburger Christoph Kaufmann sollte Vassilakou – wenn es um Schadstoffbelastung geht – vor der eigenen Tür kehren und die Ampelschaltungen optimieren. „Durch eine grüne Welle könnte der Ausstoß von Stickoxiden um 50 Prozent reduziert werden.“

Niederösterreich: Schwarze Front gegen „Pendlersteuer“

ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner (li.) sprach sich gemeinsam mit Mandataren gegen eine Citymaut aus.

Ebner will „Miteinander“ mit Wiens Regierung

Warum eigentlich?  ÖVP-Landesgeschäftsführer zur Citymaut und zum Lobau-Tunnel

Für die ÖVP Niederösterreich ist die Ansage von Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, in Wien eine Citymaut für Pendler aus NÖ einzuführen nicht bloß ein politischer Luftballon. „Wir nehmen das ernst, wenn eine Wiener Verkehrsstadträtin das ankündigt und wir müssen die niederösterreichischen Pendler schützen“, sagt Bernhard Ebner, Landesgeschäftsführer der ÖVP, in der KURIER-Reihe „Warum eigentlich?“ auf SchauTV.

Gleichzeitig äußerte er im Gespräch seine Enttäuschung über die NÖ Grünen, weil diese auf der Seite der Wiener Grünen und nicht auf jener der Pendler stehen würden. Im NÖ Landtag wird es in der kommenden Woche einen Resolutionsantrag gegen die Citymaut-Pläne von Maria Vassilakou geben, wie Ebner bestätigte.

Niederösterreichs ÖVP hofft jedenfalls, dass der neue Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in dieser Frage auf ein Miteinander setzt. Ebner: „Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sagt immer, man darf nicht mit Landesgrenzen denken, man muss in Räumen denken. Und das Miteinander muss auch in Räumen funktionieren.“

Neben der Citymaut äußerte sich Ebner auch wegen des Lobau-Tunnels sehr kritisch. Während in NÖ alle Arbeiten für den Ring um Wien in den vergangenen Jahren erledigt worden wären, wartet man noch immer auf den Wiener Lückenschluss mit dem Lobau-Tunnel. Das wäre für die komplette Ostregion wichtig. Mittlerweile sei die Bundeshauptstadt Wien beim Verkehr weniger ein Knotenpunkt als ein „Flaschenhals“.

 

 

City-Maut: ÖVP-Niederösterreich gegen Pendlersteuer

Kommentare