Mutig wie Pippi: "Müssen uns trauen, Dinge nicht perfekt zu machen"


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Eigentlich hätte Manuela Kräuters Leben auch ganz anders aussehen können. Dann wäre sie vielleicht Zahnarzthelferin in Vorarlberg oder Bürokauffrau.
Stattdessen baute sie die NGO Global 2000 mit auf, paddelte auf einer Plastikpalme die Donau hinab, stand wegen Anti-Atomkraft-Protesten vor Gericht, war für Hilfsorganisationen in Pakistan, Indien, Papua Neu Guinea und Uganda im Einsatz, und leitet seit 2021 den Verein „Frauen für Frauen“ im Weinviertel.
„Ich merke, wie bunt mein Leben ist“, sagt Kräuter, während sie im Gespräch mit dem KURIER in Erinnerungen kramt.

Manuela Kräuter leitet seit 2021 den Verein "Frauen für Frauen" im Weinviertel
Aufgewachsen in einer traditionellen Arbeiterfamilie in Oberdorf, Dornbirn, erlebte die ehemalige Aktivistin und Kämpferin für Minderheitenrechte schon in der Schule, was Gerechtigkeit – und Ungerechtigkeit bedeutet; als Arbeiterkinder neben jenen saßen, die mit dem Privatchauffeur gebracht wurden.
„Meine Mutter hat gesagt, alle Menschen sind gleich, das hat mich sehr geprägt“, erinnert sich Kräuter.
Schritt ins Ungewisse
Im traditionellen Umfeld durfte Sie sich ihren Beruf allerdings nicht selbst aussuchen. Studieren? Kam für ein Mädchen nicht infrage. Stattdessen absolvierte Kräuter eine kaufmännische Lehre und arbeitete als Zahnarzthelferin.

In den 2000er-Jahren protestierte Kräuter für Menschenrechte und Umweltschutz
Ihren Traum aufgeben, wollte sie aber nicht. „Ich habe einfach gelernt, mutig zu sein und den Schritt ins Ungewisse zu wagen“, sagt Kräuter heute. Also packte sie ihren Koffer und zog mithilfe eines Franzosen, den sie beim Fotografieren im Wildpark in Feldkirch kennengelernt hatte, nach Frankreich.
Nach zwei Jahren als Au-pair in Paris übersiedelte sie nach New York – und machte selbst Erfahrung mit Diskriminierung. „Da wurde ich tatsächlich aus einem Geschäft rausgeschmissen, weil ich Österreicherin war“, erinnert sie sich. „Das tut weh, ja.“ Es war die Zeit der Affäre Waldheim.

Noch heute lebt Kräuter eine Protestkultur
Ökofeministin
Zurück in Österreich begann sie ihr Journalismus-Studium in Wien, um bald einen anderen Weg einzuschlagen. Kräuter bekam einen Job bei der damals jungen Organisation Global 2000 und wurde Kampagnenleiterin und Aktivistin.
Der Kampf für Minderheiten, Gerechtigkeit, das treibt Kräuter in ihrem gesamten Tun bis heute an.
„Ich fühle mich als Ökofeministin. Für mich ist der Schutz der Mutter Erde und aller schutzbedürftigen Menschen – und da gehören Frauen dazu – wichtig“, sagt sie. Als versierte Kletterin und Taucherin blieb es nicht beim Transparente hochhalten. „Ich habe mich für Menschenrechte vom Donauturm abgeseilt“, erzählt Kräuter.
Mit Palme zum Protest
Bei Anti-Atomkraft-Protesten kletterte sie auf das Atomium in Brüssel; zur Besetzung der Kraftwerksbaustelle Gabčíkovo-Nagymaros in der Slowakei paddelten sie und ihre Mitstreiter mangels Geld für Boote mit der Plastikpalme die Donau hinab.

Sie wurde verhaftet und dank Vermittlung durch Außenminister Alois Mock und Umweltministerin Ruth Feldgrill-Zankl freigelassen.
„Es gibt Punkte in einer Gesellschaft, wo ziviler Ungehorsam eine Tugend wäre“, sagt Kräuter. Als Protest gegen Schwarz-Blau im Jahr 2000 gebar sie die Idee der „Botschaft der besorgten Bürgerinnen und Bürger“.
Kräuter wurde 1964 geboren, wuchs in Dornbirn, Vbg, auf. Sie absolvierte die kaufmännische Berufsschule, studierte von 1989 bis 1991 Publizistik.
Von 1992 bis 1998 war sie für Global 2000 tätig, zuletzt in der Geschäftsführung. Nach Stopps beim Ökobüro und Care sowie einer Karenz arbeitete sie elf Jahre lang für Licht für die Welt.
Danach war sie CEO von Helioz und wurde 2021 Geschäftsführerin von „Frauen für Frauen“
Klettern ist, wie auch Tauchen, Wandern oder Skitouren gehen, noch immer eine Leidenschaft der 60-Jährigen.
Da überwindet Kräuter schon mal den El Capitan im Yosemite Nationalpark in den USA samt hängender Übernachtung in der Wand, verbringt zwei Tage auf der Wildspitze im Iglo oder besteigt mit dem Cotopaxi in Ecuador einen der höchsten aktiven Vulkane der Erde.
Oder sie zupft Unkraut im Garten. In der Natur zu sein, das sei wie ein „Leo für die Seele“.
Pippi als Inspiration
Kräuters Vorbild und Inspiration ist Pippi Langstrumpf. „Wenn Regeln keinen Sinn machen, hat sie sie hinterfragt“, erklärt Kräuter. Pippi sei neugierig und abenteuerlustig. Frauen rät sie: „Glaub daran, dass du gut bist.“ Auch sie sei oft unsicher gewesen, doch Frauen müssten sich trauen, auch etwas zu machen, das nicht perfekt ist. Eben, ein bisschen Pippi sein.
Nach der Geburt ihres Sohnes 2001 legte Kräuter ihren Fokus auf die Entwicklungsarbeit und engagierte sich bei „Care Österreich“ und „Licht für die Welt“. Dort bekam sie etwa das Erstarken der Taliban in Pakistan hautnah mit – und auch die Angst der Bevölkerung dort.

Kräuter bereiste zahlreiche Länder, war dort beruflich tätig
2015 dockte Kräuter als Geschäftsführerin bei einem Start-up an. Das Wiener Sozialunternehmen Helioz brachte ein UV-Messgerät für die Wasserdesinfektion auf den Markt. „Wir haben immer versucht, die Welt positiv zu verändern“, sagt Kräuter.
Es braucht die Männer
Zuletzt wollte sie weniger reisen und im ländlichen Raum tätig sein. „Und gerade, wenn es um Frauen geht, gibt es noch so viel zu tun. Es tut mit so weh, wenn ich sehe, wie Frauen behindert werden. Das patriarchale System gilt es aufzubrechen“, sagt sie.
Das Ziel verfolgt sie nun mit dem Verein „Frauen für Frauen“ im Weinviertel – bei Gewaltprävention, am Arbeitsmarkt oder bei der Gesundheitsversorgung. Doch für echte Veränderung, betont Kräuter, brauche es auch die Männer. „Wir haben so viele tolle, feministische Männer. Die sollten aufstehen“, sagt sie.
Mit ihrem Vater hat sie sich ausgesöhnt, ihre Eltern seien sehr stolz auf sie. Privat lebt sie ein Patchwork-Modell mit ihrem Sohn und drei „Bonus-Kindern“. Und für die ist sie nun Vorbild.
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