Mord vor Kino in Wiener Neustadt: Keine Notwehr - 20 Jahre Haft

Zusammenfassung
- Der türkische Staatsbürger Hasan D. (44) wurde wegen Mordes an einem Landsmann in Wiener Neustadt zu 20 Jahren Haft verurteilt - nicht rechtskräftig.
- Der Angeklagte gab an, in Angst um sein Leben gehandelt zu haben, nachdem er von einer kriminellen Organisation nach einem missglückten Drogenschmuggel unter Druck gesetzt worden war.
- Er wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen.
Kurz nach Mitternacht fielen die tödlichen Schüsse am 24. September 2023 am Parkplatz des "Cine Nova"-Kinocenters in Wiener Neustadt. Aus seinem Auto hatte der türkische Staatsbürger Hasan D. aus kurzer Distanz mehrmals auf einen 34-jährigen Landsmann gefeuert. Der starb noch an Ort und Stelle.
Mord warf der Staatsanwalt Hasan D. im Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt vor, der am Donnerstag mit einem Schuldspruch zu Ende ging. Außerdem Drogenhandel und Vergewaltigung sowie Verstöße gegen das Waffengesetz. Denn Hasan D. soll die Pistole, mit der er die Tat beging, zuvor gestohlen haben. Außerdem behauptet eine ehemalige Mitarbeiterin, von ihm unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht worden zu sein.
Der 44-Jährige sprach von einer Notwehr-Situation. Er sei vom 34-Jährigen und einer hinter diesem agierenden kriminellen Organisation zuvor massiv bedroht worden. Eine Drogenkurierfahrt für diese internationale Verbrecherorganisation gab er zu - auch die tödlichen Schüsse abgefeuert zu haben. Mord sei das jedoch keiner gewesen, sagte sein Verteidiger Rudolf Mayer. Vielmehr sei Hasan D. vom Opfer zuvor erpresst worden.
Drogenschmuggel
Das Geschehene hätte auch aus der Feder eines Hollywood-Autors stammen können, hatte der Staatsanwalt gemeint. Es habe sich aber "zu einer todernsten Realität entwickelt". Ein gemeinsam mit seinem Sohn betriebener Supermarkt "war zentrale Verdienstmöglichkeit der gesamten Familie", der Angeklagte habe aber erkannt, "dass sich mit dem Drogengeschäft wesentlich mehr und profitabler Geld verdienen lässt".
Am 8. Juni 2023 sei er erstmals über Vermittlung des 34-Jährigen nach Bulgarien geschickt worden, um 30 Kilogramm Heroin mit dem Auto nach Österreich zu schmuggeln. Begleitet wurde er dabei von einer Frau, die er zunächst über das Ziel der Fahrt im Unklaren gelassen habe, wie diese behauptet. Erst im Zuge der Fahrt soll ihr der Angeklagte vom Drogendeal erzählt und sie mit einer Waffe bedroht haben.
Die Frau ging zur Polizei, daraufhin wurde das Handy des 44-Jährigen überwacht und ein Peilsender an seinem Wagen angebracht.
Angeklagter "wurde massiv unter Druck gesetzt"
Ein weiterer Drogenschmuggel im September 2023 ging dann schief - und war letztlich Auslöser für die Bluttat in Wiener Neustadt. Er habe in Bulgarien eine Tasche mit Suchtgift übernommen, diese aber kurz darauf wieder einem Unbekannten übergeben, erzählte Hasan D. im Prozess. Die "Organisation" habe die Ware jedoch von ihm gefordert - oder alternativ den Wert der Drogen, rund 300.000 Euro. "Er wurde massiv unter Druck gesetzt, den Supermarkt der Familie zu überschreiben", berichtete der Staatsanwalt unter anderem von Todesdrohungen - auch gegen die Familie des Angeklagten.
Dazu fand bereits am 5. Februar ein weiterer Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt statt. Ein Komplize des Getöteten wurde wegen versuchter schwerer Nötigung nicht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft, davon sechs Monaten unbedingt, verurteilt.
Beim Treffen am 24. September 2024 in Wiener Neustadt sollte die Angelegenheit geklärt werden. Stattdessen kam es zur Eskalation. Zuerst habe der 34-Jährige seine Waffe gezogen, berichtete der Angeklagte. Er habe daraufhin aus dem geparkten Pkw auf den Boden geschossen, dann „Vollgas gegeben“ und „in panischer Angst“ zweimal abgedrückt. Nach einem Durchschuss des Herzens und der Lunge starb das Opfer an Ort und Stelle.
Peilsender-Daten ausgewertet
Der Schütze wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls kurz vor 7.00 Uhr an der ungarisch-serbischen Grenze festgenommen - auch dank der Daten des Peilsenders an seinem Wagen. Diese ließen im Prozess keine Bestätigung seiner Angaben über die angeblich panische Flucht am Parkplatz zu, im Zuge dessen der Wagen herumgeschleudert worden sein soll.
Die Geschworenen entschieden nach rund dreistündiger Beratung: es war Mord. Das Urteil, 20 Jahre Haft, ist nicht rechtskräftig.
Freigesprochen wurde der 44-Jährige hingegen vom Vorwurf der Vergewaltigung. Eine Bekannte hatte behauptet, von ihm unter Drogen gesetzt und missbraucht worden zu sein. Die Frau hatte den Angeklagten per Facebook kontaktiert und wollte im Supermarkt der Familie zu arbeiten beginnen. Doch dazu kam es nicht. Eine sexuelle Beziehung habe er aber mit der Frau begonnen, behauptet er - obwohl zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet und in einer weiteren Lebensgemeinschaft war.
Mehrmals sei man gemeinsam in Hotels nach Ungarn gefahren, um Nächte miteinander zu verbringen, so Hasan D. Nach einer weiteren Liebesnacht in einem Hotel im Bezirk Wiener Neustadt alarmierte die Frau dann aber die Polizei - ohne genaue Angaben zu ihrem Standort machen zu können. Die Beamten fanden sie schlafend auf einem Grünstreifen neben einem Bahnübergang. Sie könne sich an die vorangegangenen Stunden kaum erinnern, sagte sie aus.
"Einvernehmlicher Sex"
Man habe gemeinsam Crytsal Meth geraucht, räumte der Angeklagte ein, danach aber einvernehmlich Geschlechtsverkehr gehabt. Nach einem Streit sei er alleine nach Hause gefahren, weil sich seine Begleiterin geweigert habe, mit ihm zu kommen. Gewalt sei nicht im Spiel gewesen, beteuerte er.
Kommentare