Missbrauchsvorwürfe wurden mit Anwaltsbrief abgeschmettert

Vorwürfe gegen Pfadfinderleiter seit zwei Jahren bekannt.Neue Opfer meldetensich nach Festnahme.

Kleine Buben auf den Schoß zu nehmen, ist eine Sache. Mit ihnen "zur Belohnung fürs Bravsein" zu kuscheln und sie nach Hause einzuladen, wo – dem Vernehmen nach – ein Regal dem Genre Kinderporno gewidmet war, ist schon eine ganz andere.

Der 59-jährige Robert W. war als "väterlich" bekannt. Einem Elternpaar war das Verhalten des Pfadfinderleiters aber nicht geheuer. Im Sommer 2013 meldete es beim Präsidium Bedenken an. Nichts passierte.

Der Gruppenleiter der Wölflinge (Buben im Alter von sieben bis zehn Jahren, Anm.) war noch bis April 2015 in Wien und Korneuburg tätig. Dann wurde er festgenommen. Der Vorwurf: sexueller Missbrauch von Kindern unter Ausnützung des Autoritätsverhältnisses.

Robert W. soll zwischen 2006 und 2012 mindestens vier Buben dazu überredet haben, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat im Juni ein Bild des 59-Jährigen veröffentlicht, daraufhin meldeten sich zwei weitere mutmaßliche Opfer. Bei einer Hausdurchsuchung wurde außerdem eine größere Menge kinderpornografischen Filmmaterials sichergestellt. "Der Verdacht hat sich ausgeweitet", sagt Sprecherin Nina Bussek.

Beweise gefordert

Das Präsidium der Wiener Pfadfinder zeigte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Juni völlig überrascht. W. sei seit 20 Jahren dabei, Auffälligkeiten habe es nie gegeben.

Allzu groß kann die Überraschung aber nicht gewesen sein, denn schon vor zwei Jahren sprachen besorgte Eltern bei Präsident Karl Homole vor und übergaben ihm Fotos, auf denen W. mit Buben in inniger Pose am Lagerfeuer zu sehen ist. Homoles Reaktion: Er schaltete einen Anwalt ein.

In einem Brief, der dem KURIER vorliegt, urteilt der Jurist, die Fotos entsprächen nicht dem Tatbestand des sexuellen Missbrauchs. Er fordert die Eltern auf, "Fakten bzw. Beweismittel" vorzulegen. "Das haben sie aber nie gemacht", betont Homole. Das Präsidium habe die "nötigen Schritte eingeleitet". Die Behörden in dieser heiklen Angelegenheit einzuschalten, gehörte offenbar nicht dazu.

W. wurde kurzfristig abgezogen, dann habe man mit anderen Eltern und Gruppenleitern gesprochen. Den Beschuldigten habe man damit nicht konfrontiert. "Wir sind ja nicht die Polizei", sagt Homole, der gleichzeitig Vorsteher des Bezirks Währing ist.

Die Eltern hätten versucht, die Abberufung des 59-Jährigen zu erwirken – deshalb der Anwaltsbrief, erklärt er: "Wir wollten uns da weder hineinziehen, noch erpressen lassen."

Als Robert W. im April in U-Haft genommen wurde, habe man ihn "selbstverständlich sofort aus sämtlichen Funktionen entlassen".

Betroffene können sich weiterhin an das LKA Wien wenden: 01/31310-25300

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