„Schande“: Gewerbepark statt Gedenkstätte

Eine Frau im fliederfarbenen Mantel legt einen Strauß Blumen auf einer von hohem Gras umwachsenen Betonplatte nieder.
Das Areal des ehemaligen KZ-Lagers wird zu einem Gewerbepark. Die Bagger sind schon aufgefahren – die Kritiker ebenso.

Rein optisch ist es nicht mehr als ein brachliegendes Gelände. Am Papier ist es ganz klar als Bauland-Betriebsgebiet ausgewiesen. Doch im Falle des ehemaligen Konzentrationslagers Hirtenberg geht es nicht darum, was offensichtlich ist. Es geht vielmehr um Tausende Schicksale, von denen nun wohl auch die letzten spärlichen Spuren verschwinden werden.

Das KZ-Lager Hirtenberg wurde am 28. September 1944 als Außenlager eröffnet. Nur Frauen wurden dort festgehalten, um mit ihrer Arbeit in der naheliegenden Patronenfabrik neue Munition für die Nationalsozialisten zu liefern. Laut dem Mauthausen-Komitee mussten rund 400 Frauen unterschiedlicher Nationalitäten Zwangsarbeit leisten. Die Jüngste von ihnen soll 16, die Älteste 58 Jahre gewesen sein.

Wiese mit Hügeln im Hintergrund

Auf dem Areal des ehemaligen KZ soll ein Gewerbepark errichtet werden.

Die Zwölf-Stunden-Schichten  in der Fabrik waren gefährlich, Zeitzeugen berichteten von explodierenden Maschinen. Die Frauen wurden rund um die Uhr von der SS bewacht. Die Hoffnung, von der Roten Armee befreit zu werden, machten die Nazis mit einem Schlag zunichte: Am Ostersonntag 1945, dem 2. April, wurde das Lager aufgelöst. Was für die Frauen aber natürlich nicht die Freiheit bedeutete; sie wurden dazu gezwungen, nach Mauthausen zu marschieren – eine Strecke von rund 170 Kilometern. Es war ein wahrer Todesmarsch, den einige der ohnehin geschwächten Frauen nicht überlebten. 

Harte Kritik

Heute erinnern auf dem Gelände nur noch wenige Relikte, wie  Fundamente von Baracken, an das Leid dieser Frauen. Weshalb das Areal auch nicht unter Denkmalschutz gestellt wurde; die Überreste waren laut Bundesdenkmalamt  nicht ausreichend.

Dass nun jedoch ein Gewerbepark auf der Fläche entsteht, wie die Kronen Zeitung berichtete, sorgt für heftige Kritik. Noch dazu, weil  Bürgermeister Andreas Ramharter (Liste Zukunft Leobersdorf)  profitieren soll; seine Immobilienfirma soll Gründe um 15,25 Millionen Euro verkauft haben, weitere 1,34 Millionen Euro seien durch Umwidmungen verdient worden. Gegenüber der APA will er sich  nicht zu den Preisen äußern und ortet auch keine Befangenheit. „Alle Bewilligungen liegen vor“, stellt er  klar. Die Arbeiten haben bereits begonnen. 

Kritik gibt es – einerseits für das Vorhaben, andererseits für das Vorgehen – nicht nur von der Lokalinitiative NS-Zwangsarbeit Leobersdorf, die sich seit Jahren für eine Gedenkstätte einsetzt. Auch Grünen-Nationalratsabgeordneter Lukas Hammer sprach von einem „skandalösen Umgang“ mit der Geschichte.

Schockiert zeigt sich die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, die gemeinsam mit der örtlichen Initiative daran gearbeitet hat, einen würdigen Gedenkort zu schaffen. „Es ist eine Schande, dass es möglich ist, im Jahr 2025 die Überreste eines ehemaligen Konzentrationslagers ohne einen sachlichen öffentlichen Dialog darüber abzureißen“, nimmt sich Direktorin Barbara Glück kein Blatt vor den Mund. 

Schwacher Trost

Mit dem Bauprojekt würden nicht nur historische Strukturen, sondern auch mögliche Quellen für die Forschung  zerstört. Dabei würden diese in einer Zeit, in der kaum noch Zeitzeugen über die Geschehnisse berichten können, umso mehr an Bedeutung gewinnen. „Es ist bezeichnend, dass 2025, gerade im Gedenkjahr, in dem wir an 80 Jahre Befreiung erinnern, ein solcher Rückschritt stattfindet und das Andenken an die NS-Opfer durch die Bebauung ihres Leidensortes finanziellen Interessen untergeordnet wird“, betont Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee.

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Eine Stele vor der Mittelschuler erinnert an das einstige Frauenlager.

Ein schwacher Trost bleibt den Gegnern des Gewerbeparks: Es soll ein Gedenkweg am Rande des Areals entstehen. Ansonsten erinnert noch eine Stele vor der Mittelschule an das einstige Frauenlager. Diese besteht aus  Betonprismen, die die Ortsnamen der 40 ehemaligen Mauthausen-Außenlager tragen – ein Mahnmal für das Netzwerk der Ausbeutung und Vernichtung von KZ-Häftlingen.

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