Land NÖ schuldet Spitalspersonal 2,1 Millionen Stunden

Vor allem bei der Pflege soll es Personalmangel geben.
Mitarbeiter haben Urlaube und Zeitguthaben in Entsprechung von 1200 Vollzeitkräften offen. Betriebsräte sprechen von Personalmangel.

"Wir sind auf Anschlag. Es ist nicht fünf vor 12, es ist 12." Wolfgang Schrefl, Betriebsratsvorsitzender des Universitätsklinikums St. Pölten findet deutliche Worte. In vielen NÖ Spitälern stöhnt das Personal unter immer unzumutbarer Arbeitsbelastung. Vor allem die Pflege ist betroffen.

Rund 2,1 Millionen Stunden schuldet das Land NÖ als Dienstgeber seinen Mitarbeitern aus offenen Urlauben, nicht konsumiertem Zeitausgleich sowie Zeitguthaben aus Nachtdiensten, sagen Betriebsräte. Rechnerisch müssten 1200 Vollzeitkräfte zusätzlich für ein Jahr aufgenommen werden, um diese Stunden abzubauen.

Die Folgen: Steigender Arbeitsdruck, psychische Belastungen und Krankenstände. In zahlreichen Abteilungen werden Überlastungsanzeigen geschrieben, bei denen das Personal festhält, dass es die Verantwortung für eine gewissenhafte Pflege nicht mehr übernehmen kann. "Die Selbstausbeutung wird von den Managern einkalkuliert", sagt Brigitte Adler, Vizepräsidentin der Arbeiterkammer NÖ und Betriebsrätin in Mistelbach.

Alleine im Spital St. Pölten konnten rund 370.000 Stunden – laut Betriebsrat sogar mehr – nicht abgebaut werden. In der Neonatologie mussten laut Schrefl wegen Personalmangels vier Betten gesperrt werden, nach Nachbesetzungen werden zwei wieder eröffnet. Es gebe bis zu 15 Stunden Spitzen-Wartezeit in der Notfallaufnahme.

Ähnlich die Situation in Amstetten, wo laut Betriebsrats-Vorsitzender Margit Huber rund 117.000 Stunden "stehen" und es zu Leistungseinschränkungen komme. Im Krankenhaus Mödling konnten 112.440 Stunden nicht abgebaut werden. "Die Strukturen funktionieren nicht, es fehlen Ärzte und massenhaft Schwestern", sagt ein Insider. Mitarbeiter würden zwischen den Standorten Mödling und Baden hin und her geschoben. Es fehle das Personal für die stark gestiegenen Geburtenzahlen, die Kinderintensiv-Station habe zu wenige Betten. Sämtliche Dienstpläne würden auf Überstunden basieren.

Gefährlich

"Die Situation eskaliert", sagt ein Mitarbeiter. Auch für viele Ärzte verlören die Spitäler zunehmend an Attraktivität. Schon bald werde es gefährlich, ins Krankenhaus zu gehen, meinen manche. Geld für Neu- und Ausbauten sei aber da gewesen.

Bei der NÖ Landeskliniken-Holding kann man die Kritik nicht nachvollziehen. So wurden etwa im Spital Baden-Mödling zwischen 2016 und 2018 104,5 zusätzliche Dienstposten bewilligt. In St. Pölten habe die Schwangerschaft von gleich drei Mitarbeiterinnen zum Engpass geführt.

Die hohe Zahl von 2,1 Millionen angesammelten Stunden beunruhigt nicht. Sie beträfe rund 22.000 Menschen, zudem sei es im langjährigen Vergleich nicht ungewöhnlich, dass Mitarbeiter im Schnitt elf Urlaubstage "stehen haben", erklärt Sprecher Bernhard Jany. Das sei von Kollegen teilweise gewünscht, um "entsprechende Flexibilität in der zeitlichen Gestaltung zu haben." 2016 waren laut Jany pro Person etwa 86 Stunden an Urlaub offen sowie rund 22 Stunden an Überstunden. Im Schnitt hätten alle Mitarbeiter 2016 rund fünf Wochen Urlaub genommen.

Laut Zentralbetriebsrat-Chef Peter Maschat sei vieles auch eine Organisationsfrage. Nun müssten Maßnahmen gesetzt werden, um die Stunden abzubauen und nicht mehr ansammeln zu lassen. So empfiehlt er etwa, Überstunden auszahlen zu lassen. Für die (roten) Betriebsräte keine Option. Die Zeit werde zur Erholung benötigt. Zudem hätten sich laut Betriebsrätin Huber viele Teilzeitkräfte ja bewusst für eine geringere Arbeitszeit entschieden. Auch Auszahlungen würden nicht immer bewilligt. Laut Holding werde das Personal für 2018 bedeutend aufgestockt. Maschat spricht von 120 bis 150 Dienstposten, die es brauche. "Das reicht definitiv nicht aus", kontert Huber.

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