Intensivstations-Leiter: "Lockdown allein hilft nicht gegen Pandemie"

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Die Berichte über ausgelastete Intensivstationen, vor allem im Osten des Landes, reißen nicht ab. Herbert Koinig, Leiter der Intensivstation des Universitätsklinikums Krems, erzählt im Interview mit dem KURIER, wie die Lage in Krems ist.
KURIER: Die Lage gilt auf den Intensivstationen in Niederösterreich mehr als angespannt. Wie ist die Situation in Krems? Wie viele Betten sind noch frei?
Herbert Koinig: Die Anzahl der CoVid-19-Patienten, die eine Behandlung auf einer Intensivstation benötigen, ist deutlich angestiegen im Vergleich zum Jahresbeginn. Darüber hinaus gibt es aber auch noch andere akute Erkrankungen, die einer Behandlung auf einer Intensivstation bedürfen. Zusammen ergeben sich aus diesem Bedarf manchmal Engpässe. Die Lage ist allerdings regional sehr unterschiedlich, und ändert sich auch laufend, sodass eine konkrete Zahl sehr schwierig zu nennen ist. Durch landesweite Koordination hat sich die Situation bisher gut bewältigen lassen.
Von Intensivstationspersonal hört man, dass Patientinnen und Patienten, die aufgrund des Coronavirus auf die Intensivstationen kommen, jünger werden. Können Sie das bestätigen? Warum ist das so?
Es ist tatsächlich so, dass sich die Charakteristik der CoVid-19-Intensivpatienten im Vergleich zum Vorjahr etwas verändert hat. Die Patienten sind sicher jünger und es gibt neben der Patientengruppe mit bekannten Vorerkrankungen auch schwere Verläufe bei jungen Patienten ohne wesentliche Vorerkrankungen. Dies mag einerseits an der Dominanz der Virusmutante B.1.1.1.7 liegen, die im Vorjahr im Land noch nicht verbreitet war, und andererseits auch an der zum Teil schon vorhandenen Immunität durch die Impfungen der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe in den Pflegeheimen.
Die Pandemie dauert nun in Österreich bereits ein Jahr. Das medizinische Personal muss Unglaubliches leisten. Wie ist die Stimmung im Team? Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon an ihren Grenzen?
Es ist tatsächlich so, wie in der Normalbevölkerung auch, dass alle in diesem Umfeld tätigen Personen schon des Themas müde sind. Da es sich ja um eine ernsthafte Erkrankung mit ernster Prognose handelt, ist dies für das Behandlungsteam, neben der körperlichen Belastung auf Grund der Vorsichtsmaßnahmen, auch eine psychische Belastung. Dennoch nehme ich nach wie vor einen sehr professionellen und empathischen Umgang mit den Patienten und auch im Team wahr.

Herbert Koinig übernahm 2012 die Leitung der Klinischen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Krems.
Neuartige Virus-Mutationen gelten als noch ansteckender als die bisherige Variante. Inwiefern bemerken Sie das in Ihrem beruflichen Alltag?
Die Tatsache, dass nun häufiger auch jüngere Patientengruppen einen schweren Verlauf der Erkrankung aufweisen, ist zu einem großen Teil durch das Auftreten dieser Virusmutationen zu erklären. Insofern ist die aktuelle Situation in Ostösterreich und auch in anderen Teilen Europas Folge dieser Mutationen.
Im Osten Österreichs wurde der Lockdown nun bis 18. April verlängert. Glauben Sie, hilft das, um die Lage zu entlasten?
Jede Maßnahme, die Kontakte, und somit die Wahrscheinlichkeit einer Virus-Übertragung vermindert, ist eine Hilfe. Aus medizinischer Sicht ist aber auch ein Befolgen aller bisher getroffenen Maßnahmen wie Verringerung sozialer Kontakt, das konsequente Abstandhalten und Maskentragen durch alle Bevölkerungsgruppen von besonderer Bedeutung. Alle Maßnahmen zusammen können helfen, die Zahl der Neuansteckungen zu reduzieren, und so das Gesundheitssystem zu entlasten und die Zeit bis zum Greifen der immunisierenden Wirkung durch die Impfung zu überbrücken.
Wenn die Intensivstationen komplett ausgelastet sind, was passiert dann?
Um diese Situation zu vermeiden, wurde in den vergangenen Tagen Intensivkapazität zur Behandlung von Covid-Patienten umgewidmet, und zum Teil auch zusätzliche Kapazität für diese Patientengruppe aufgebaut. Dies geschieht basierend auf Prognoseberechnungen und sollte aus jetziger Sicht somit einer völligen Überlastung der Intensivstationen vorbeugen. Allerdings muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass diese Betten im Regelfall nicht leer stehen, sondern sonst zur Behandlung anderer akuter Erkrankungen vorgesehen sind und dies somit nur eine Lösung für den akuten Krisenfall darstellt.

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