Krebsheiler unter Verdacht

Krebszelllen: Österreich könnte auch bei der Verfügbarkeit moderner Medikamente zurückfallen
Kurpfuscherei und fahrlässige Tötung lauten die Vorwürfe gegen den Betreiber eines "Zell-Instituts".

Patientenanwalt Gerald Bachinger spricht von "Voodoo-Medizin" und "Scharlatanerie". Jetzt wird gegen den Betreiber eines "Zell-Instituts" in Wien-Umgebung ermittelt: Wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Kurpfuscherei.

Seit mehreren Jahren betreibt ein "Humanenergetiker" im Großraum Wien ein Institut, in dem er nach eigenen Angaben schwere Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Krebs heilt. Und zwar mithilfe eines selbst gebauten "Negativwellengenerators" und mit sogenannten "freien Energiekapseln". Diese Heilmethode hat er auch beim Wiener Patentamt angemeldet: Zum ersten Mal auf der Welt ist es gelungen, mit Hilfe von bioelektrischen und bioelektromagnetischen Wellen eine neue Heilmethode zur Bekämpfung von Krebs und schwer behandelnden Krankheiten ausfindig zu machen.

Krebsheiler unter Verdacht

Das erklärt der "Humanenergetiker" auf seiner Homepage. Dass die versprochene Wirkung offensichtlich anzuzweifeln ist, zeigt ein Schreiben eines Onkologen eines Wiener Krankenhauses, das dem KURIER zugespielt wurde.

Dort wurde im Juli 2013 ein Patient mit "weit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs" eingeliefert. In Leber und Lunge des Patienten hatten sich zu dem Zeitpunkt bereits Metastasen gebildet. Wenige Tage später starb der Mann im Krankenhaus. Davor habe der Patient die "Zelltherapie" in dem Institut im Wiener Umland in Anspruch genommen. Täglich sei er mit der Limousine vom Hotel ins Institut gebracht worden. Weil er den Behandlungsmethoden dort vertraute, habe er keine ärztliche Betreuung in Anspruch genommen. 10.000 Euro soll der Patient gezahlt haben.

Anzeige

Der genannte Arzt schickte daraufhin eine Sachverhaltsdarstellung an die Sanitätsdirektion NÖ. "Besagte Therapien" seien "in keinem onkologischen Lehrwerk bzw. wissenschaftlichem Beirat erwähnt" (siehe Faksimile unten). Der Arzt bat um eine Überprüfung des Instituts, "damit möglicherweise schädliche und nicht wissenschaftlich überprüfte Therapien nicht weiterhin zu Anwendung kommen." Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen den Heiler. "Die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen", sagt Staatsanwalt Karl Schober.

Bereits 2013 wurde ein Verfahren wegen des Verdachts auf Kurpfuscherei gegen den Energetiker geführt – das wurde allerdings eingestellt. Zuletzt bestätigte das nö. Landesverwaltungsgericht eine Geldstrafe in der Höhe von 1000 Euro, die die Bezirkshauptmannschaft über den Heiler verhängt hatte. Patientenanwalt Gerald Bachinger: "Ich bin entsetzt. Das ist Voodoo-Medizin und Scharlatanerie. Hier werden Patienten ausgebeutet, die sich an die letzte Hoffnung klammern." Die Vorgehensweise des Heilers sei "zutiefst zu verabscheuen", sagt Bachinger. Er kritisiert auch, dass es keine rechtliche Möglichkeit der Behörden gibt, das Institut vorläufig zu schließen. Das bestätigt auch Wolfgang Straub, Bezirkshauptmann von Wien-Umgebung. Laut Straub liegen bei der BH weitere Anzeige gegen den selbst ernannten Heiler vor. "Aber für eine Schließung fehlt mir die rechtliche Grundlage."

Krebsheiler unter Verdacht

Der Leiter des Instituts war für den KURIER nicht erreichbar. Auch sein Sohn wollte zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. Sein Anwalt erklärte, dass er von den Ermittlungen nichts wisse, aber: "Die Alternativmedizin ist der Schulmedizin ein Dorn im Auge."

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