Konstruieren statt konsumieren

Sponsor Michael Haßlinger und sein Neffe Lukas Brunbauer haben die „Hand.Werk.Stadt“ ins Leben gerufen: Jeder kann hier gratis basteln
Offene Werkstätte in Mödling bietet Interessierten Raum für Begegnung und Selbstverwirklichung

Bohrmaschinen, Schleifgeräte, Handkreissägen, Nähmaschinen, Wasserwaagen – schlichtweg alles, was das Handwerker-Herz begehrt, findet man in der „Hand.Werk.Stadt Mödling“. „Wir wollen handwerklich Interessierte zur Selbstbefähigung anleiten, dass sie die dazu erforderlichen Fähigkeiten entweder wieder lernen oder ganz neu für sich entdecken. Großräumig gedacht soll man von der Versorgungsmaschinerie wieder etwas unabhängiger werden“, erläutert Organisator Lukas Brunbauer.
Eröffnet wurde die Werkstatt vor eineinhalb Jahren, die Idee dazu entstand aber schon viel früher. Der pensionierte Bauunternehmer Michael Haßlinger, der die Räumlichkeiten gratis zur Verfügung stellt, sagt dazu: „Aus Bauwerken und Grundstücken soll nicht nur Geld herausschauen, sondern auch Geistiges.“ Denn die Kellerräume im Wohnblock in der D.I.-Wilhelm-Haßlinger-Straße beim Mödlinger Bahnhof hätten genauso gut als Lager genutzt werden können.

Kostenlose Nutzung

Konstruieren statt konsumieren
Hand.Werk.Stadt, Mödling, Werkstatt
„Vor allem möchten wir Handwerksinteressierte in der Gegend ansprechen, die nicht den Raum oder die Geräte haben, um kreativ tätig zu sein“, sagt Brunbauer. Die Räumlichkeiten umfassen eine Metall- und Elektrowerkstatt, eine Textilarbeitskammer und einen Malort nach Arno Stern, an dem man sich ganz unbeschwert Dinge von der Seele pinseln kann. Auch das Interieur der ehemaligen Tischlerei aus Familienbesitz ist für den handwerklichen und künstlerischen Selbstbau gratis benützbar. Das Material zum Handwerken sollte man sich im Vorfeld selbst besorgen, Verbrauchsteile wie Schrauben oder Leim gibt es aber vor Ort.
Die „Hand.Werk.Stadt“ versteht sich auch als Ort der Begegnung und des Austausches zwischen Jung und Alt, Lehrern und Lernern. Ganz bewusst wird die Zugangsschwelle dabei niedrig gehalten. „Es geht darum, einfache Schritte auch selbst erledigen zu können, die Hose kürzen oder das Rad reparieren“, meint Brunbauer.
Benützbar ist die Werkstätte derzeit auf Zuruf, künftig soll es aber geregelte Öffnungszeiten geben. „Dazu wollen wir noch Personen gewinnen, die hier basteln und dabei für einen bestimmten Zeitraum präsent sind.“
„Wir machen uns die Arbeit“ – so lautet das Programm. „Einerseits machen wir uns die Mühe, andererseits macht sich der Handwerker einen Arbeitsplatz“, erklärt der Sponsor. Viele Benützer bieten immer wieder interessante Workshops an, derzeit wird ein Werkstattleiter geringfügig beschäftigt.
„Es braucht Zeit, sich die Handarbeit anzutun“, sagt Haßlinger. Die Befriedigung aus der Sinnhaftigkeit der Arbeit sei aber größer als der Zeitverlust. Sein verwegener Schluss: „Durch das Handwerken gewinne ich Zeit.“
Konstruieren statt konsumieren
Hand.Werk.Stadt, Mödling, Werkstatt
Das Projekt für Hartz-IV-Möbel ist aus der eigenen Not heraus entstanden: Der Architekt Le Van Bo – geboren in Laos, aufgewachsen in Berlin – war selbst Sozialhilfeempfänger. Mit seinen Möbeln will er den Menschen, die mit wenig auskommen müssen, Lebensqualität zurückgeben.
„Er hat sich an Designerstücken orientiert und daraus schlichte Möbel geschaffen“, erklärt Lukas Brunbauer, der als Trainer auch Beschäftigungslose begleitet. „Das Material für seinen Berliner Hocker ist um zehn Euro im Baumarkt erhältlich und das Werkstück in zehn Minuten gefertigt.“ Die Baupläne stellt der Architekt kostenlos zur Verfügung. Dafür wünscht er sich Rückmeldung von den Benutzern. Auch in der „Hand.Werk.Stadt“ sind Pläne aufgelegt: „Oft bin ich mit Menschen konfrontiert, die den Glauben an eine Arbeit verloren haben, hier schöpfen sie Mut“, erklärt der Business-Coach.

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