
Birgitt Aschauer gibt die Kunst des Bauens von Nikolaustürmen gerne weiter
© Aschauer
Kleinstadt entdeckte den Nikolaus neu
Die Idee, alte Nikolo-Traditionen neu zu beleben, bekam in Waidhofen/Ybbs eine Eigendynamik. Der Heilige Bischof lässt sich auch vom Lockdown nicht stoppen
„Diese Dynamik kann auch der nächste Lockdown nicht mehr stoppen.“ Was im Sommer im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs von rührigen Kulturaktivisten als etwas belächelter neuer bunter Stadtevent für den Advent erdacht wurde, hat Fahrt aufgenommen. Die Idee, als neue „Nikolausstadt“ für alte Traditionen zu begeistern und dabei viel Unterhaltung zu bieten, hat eine Eigendynamik bekommen. Vergessene Bräuche leben auf, Details in der Stadt- und Kirchengeschichte rund um den Nikolaus-Kult erscheinen in neuem Licht.
Das geplante große Fest mit Dutzenden Nikoläusen in der Waidhofener Stadtpfarrkirche am 4. Dezember ist pandemiebedingt definitiv nicht mehr möglich. Und die Hausbesuche der bärtigen Bischöfe dürften im Lockdown auch in Waidhofen heuer dürftig ausfallen.
Doch auf die Nikolo-Tradition wird man in der Stadt sicher bei erholsamen Spaziergängen durch die mittelalterliche Stadt in verschiedener Form treffen.
Nikolaus-Türme
Schon jetzt sind viele Schaufenster mit Figuren oder Darstellungen des Heiligen geschmückt. Wobei fein verzierte Holzgestelle mit allerlei Süßigkeiten ins Auge stechen. Es handelt sich um Nikolaus-Türme, die in vergangenen Jahrhunderten in der Vorweihnachtszeit hier große Tradition hatten: Kinder bastelten die Türme und stellten sie auf, damit der Nikolo Süßigkeiten darin aufhängen konnte.
„Sie sind in Vergessenheit geraten, weil das Christkind und der Weihnachtsmann die Rolle des Beschenkens übernommen haben“, schildert Karl Piaty, einer der Initiatoren der Nikolaus-Aktivitäten.

Farbenfrohe, aber auch leckere Nikolotürme werden in Waidhofener Schaufenstern ausgestellt
Dem früheren rührigen Leiter des Museal-Vereins Friedrich Almer sei es zu verdanken, dass man das volkskundliche Kleinod nun so gut präsentieren könne. Almer verstarb im Sommer, seine Tochter Birgitt Aschauer beherrscht die Kunst des Turmbauens aber perfekt. Mittlerweile gibt sie in einem informativen Video von Karl Piaty die vom Vater erlernte Baukunst für die Gestelle preis.

Wertvoller Nikolaus entstand rund um das jahr 1500 und ist heute im Fünf-Elemente-Museum im Waidhofener Rothschild-Schloss ausgestellt
Internet-Nikolo
Weil es ja die geplanten Nikolo-Programme auf Weihnachtsmärkten und bei Festen nicht geben darf, lässt der Kulturkreis Waidhofens die Tradition im Internet hochleben. „Es wird eine Festmesse mit einem anwesenden Nikolaus und dazu interessante historische Betrachtungen unseres Pfarrers geben. Wir filmen mit und liefern das Video auf unserer Plattform“, kündigt Piaty an.
Im Zuge der Aktion sei in der Großgemeinde auch wieder in den Blickpunkt gerückt, dass nicht nur zwei Pfarrkirchen in Windhag und Konradsheim, sondern auch zwei kunsthistorisch wertvolle Nikolo-Seitenaltäre in anderen Kirchen zu bestaunen sind, so Piaty. Und eine ganz besondere im Museum ausgestellte Nikolausskulptur, deren Ursprung rund um 1500 liegt, rückte ebenso in den Fokus. Eine Urkunde im Stadtarchiv aus 1451 beschreibt, dass in Waidhofen immer am Nikolaustag, dem 6. Dezember, neue Stadtrichter ernannt worden sind.
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