Kartoffelwelt auf den Kopf gestellt

Kartoffelwelt auf den Kopf gestellt
Hauptberuflich ist Markus Habermann als Pressesprecher im NÖ-Regierungsviertel tätig, doch nebenbei baut er Süßkartoffeln an.

Als Pressesprecher von Landesrat Martin Eichtinger kennen Landespolitiker und Journalisten Markus Habermann. Doch nicht selten tauscht der 35-Jährige Anzug und Krawatte gegen Jeans und Gummistiefel. Untypisch ist auch, was der Hobbylandwirt auf seinem Acker bei Herrnbaumgarten im Bezirk Mistelbach anbaut. Denn nicht etwa den für die Gegend bekannten Wein, sondern eine Delikatesse der Tropen: Süßkartoffeln.

Die Süßkartoffel stammt aus Mexiko und spielt in Amerika traditionell in der Küche eine wichtige Rolle. „Als ich vor fünf Jahren aus New Orleans zurückkam, kannte man bei uns in Österreich die Süßkartoffel eigentlich gar nicht. Dort war sie weitverbreitet, es gab sie zu Mittag, abends, dazwischen, in der Suppe, als Beilage, Hauptgericht und Dessert“, erzählt Habermann. Mittlerweile sind die Wurzeln (denn solche sind Süßkartoffeln) auch in Österreich in jedem Supermarkt erhältlich. Sie werden aber Tausende Kilometer weit entfernt angebaut, meistens kommen sie aus Chile oder Peru. Dass es kaum welche von heimischen Äckern gibt, hat Markus Habermann schade gefunden – und sie kurzerhand selbst angebaut.

„Ich dachte mir, die muss doch bei uns auch wachsen. Dann habe ich mich informiert und mithilfe von YouTube-Tutorials meine ersten Setzlinge in einem Toten-Hosen-Becher herangezogen in meiner Wiener Wohnung. Als sie wurzelten, hab ich sie zu den Blumenstöcken meiner Freundin gesetzt“, erzählt er schmunzelnd.

Kartoffelwelt auf den Kopf gestellt

Die größte Süßkartoffel wog 2,3 Kilogramm.

Feldversuch

Habermann kam auf den Geschmack und ging zum Feldversuch über. Als Anbaufläche diente ein brach liegender Acker in seinem Heimatort Herrnbaumgarten, der einst von seinen Großeltern bewirtschaftet wurde. Vor dem ersten Frost Ende September wurde geerntet – und zwar händisch. 200 Kilo Süßkartoffeln waren der Lohn, die größte hatte 2,3 Kilogramm. „An einigen Pflanzen hingen nur zentimetergroße Stängel, die nichts waren, aber andere hatten bis zu fünf Kilo Ertrag. Man kann nur händisch ernten, denn sie sind wie rohe Eier und haben noch keine Schale, wenn man sie aus der Erde nimmt“, erklärt er. Eine Schale bildet sich erst nach zwei Wochen Lagerung bei warmen Temperaturen.

Das Süßkartoffelfeld in Herrnbaumgarten ist so klein, dass man keinen Traktor braucht. Aber beim Anbau des Windengewächs, dessen Geschmack zwischen Karotte und Kürbis liegt, sind Maschinen ohnehin kaum einsetzbar. „Es gibt keine Saat- und Erntemaschinen, das ist Handarbeit“, erklärt der 35-Jährige. Und in seinem Hobby-Betrieb gibt es viele helfende Hände: „Das sind meine Großeltern, meine Eltern, meine Tante und meine Freundin. Ohne ihre Tipps und tatkräftige Unterstützung, wäre das neben meinem Beruf nicht möglich“. So weiß er zum Beispiel von seiner Oma, dass Schädlinge es nicht mögen, wenn der Boden mit Radieschen, Krenn und Co. aufbereitet ist. „So konnten die Süßkartoffeln prächtig wachsen. Nur die Rehe haben die Blätter abgefressen. Kein Wunder, denn die kann man herrlich als Spinat zubereiten“, meint der Freizeit-Landwirt. Er sei aber nicht der Einzige, der sich an das Experiment Süßkartoffelanbau wagt. Eine Bäuerin aus dem Bezirk, die eigentlich Kartoffel anbaut, habe mit ihm ihre Erfahrungen geteilt. „Die Erdäpfelbauern reagieren auf die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen haben, wie zum Beispiel dem Drahtwurmbefall, der im Vorjahr zu extremen Ernteeinbrüchen geführt hat“, erzählt er.

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Markus Habermanns Tante Herta, Oma, Papa Fritz (oben v. li. n. re), seine Freundin Julia sowie Mama Gaby und sein Opa gehören zum Süßkartoffel-Team.

Klimabilanz

Er glaubt zwar nicht daran, dass man die heimischen Erdäpfel durch die Süßkartoffel ersetzen, aber vielleicht das Anbauspektrum erweitern kann. „Es ist eine Reaktion auf den Klimawandel und gleichzeitig ist es nur positiv für die Klimabilanz, wenn die Süßkartoffeln von heimischen Feldern kommen“, betont er. Und: „Es ist ein schönes Hobby, es ist ehrliche Arbeit.“ Vor zwei Wochen wurden die letzten Pflanzen gesetzt. Im Herbst treffen sich dann die „Kartoffelfreunde“ zur Ernte. „Es ist wie bei der Weinlese. Familie und Freunde kommen zusammen. Meine Mama macht Schweinsbraten mit Süßkartoffelpüree und alle helfen mit“. Und es könnte sein, dass die Weinviertler Süßkartoffeln auch bald in einem Delikatessenladen im ersten Wiener Gemeindebezirk erhältlich sind – denn auch hier ist man auf den Geschmack des Trendgemüses aus heimischen Anbau gekommen.

www.süsskartoffel.at

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Auch seine Freudin Julia versucht sich als Hobby-Landwirtin.

Süßkartoffel-Suppe à la Habermann

1 Kilo Bio-Süßkartoffel
200 Milliliter Kokosmilch
je 1 Stück Ingwer und Zwiebel
1 Esslöffel Olivenöl
750 Milliliter Gemüsesuppe
1 Teelöffel Honig
Chilipulver, Currypulver

Süßkartoffeln schälen und grob würfeln. Die Zwiebel  hacken. Den Ingwer schälen und in große Stücke schneiden. Olivenöl in einem Topf erhitzen und die Zwiebel zirka zwei Minuten anbraten. Die Süßkartoffeln und den Ingwer hinzugeben und mit anbraten. Die Gemüsesuppe hinzufügen. 40 Minuten bei mittlerer Hitze köcheln lassen. Ingwer rausfischen und anschließend die Suppe  glatt pürieren. Die Kokosmilch und den Honig einrühren und die Suppe noch einmal aufkochen lassen. Nach Geschmack mit Chili- und Currypulver würzen.

Reis und Melonen aus NÖ

Auf Niederösterreichs Feldern wachsen  schon einige  „Exoten“ – zum Beispiel Reis. Seit einigen Jahren züchtet ein Programmierer neben Spargel in Gerasdorf im Bezirk Korneuburg Reis. 95 Prozent der weltweiten Reisproduktion finden in Südostasien statt. Auch im burgenländischem Seewinkel wird seit einiger Zeit sehr erfolgreich Reisanbau betrieben.


Doris Wanko aus Reinolz im Bezirk Waidhofen a. d. Thaya baut das „Gold der Inka“, also Quinoa, auf ihren Feldern im Waldviertel an.  Hauptanbauländer des Pseudogetreides sind Peru, Bolivien und Ecuador. Ganz selten ist Quinoa aus Europa erhältlich. In Raasdorf im Bezirk Gänserndorf wachsen Artischocken.  Sie werden auf rund vier Hektar  von der Familie  Theuringer  händisch angebaut – das entspricht einem Ausmaß von etwa 17.000 Pflanzen – und geerntet.


Nicht nur bei Getreide und Gemüse wird hierzulande experimentiert und auf die sich ändernden klimatischen Bedingungen reagiert. Dank der milderen Temperaturen gedeihen auch Früchte, die man sonst nur aus südlicheren Ländern kennt. Susanne Mayer baut in Mannsdorf im Bezirk Mistelbach Melonen an. Am Biobeeren-Garten in Loosdorf – ebenfalls im Bezirk Mistelbach – wachsen neben Himbeeren und Heidelbeeren auch Gojibeeren, Physalis oder Kiwis.

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