„An meine getreuen Völker“: Das Manifest, das viel zu spät kam

ARCHIVBILD KAISER KARL VON OESTERREICH
In Baden versuchte der Monarch 1918 mit dem „Völkermanifest“ den Zerfall der Habsburgermonarchie aufzuhalten.

Im Oktober 1918 hatten die Mittelmächte den alliierten Truppen nichts mehr entgegenzusetzen. Der Erste Weltkrieg stand kurz vor dem Ende, die Habsburgermonarchie knapp vor dem Zerfall.

Am 16. Oktober 1918 unternahm Kaiser Karl I. einen letzten verzweifelten Versuch, die Monarchie zu retten. Mit dem an diesem Tag herausgegebenen Völkermanifest „An Meine getreuen österreichischen Völker“ sollte Österreich zu einem Bundesstaat umfunktioniert werden.

„Das furchtbare Ringen hat das Friedenswerk bisher gehemmt. (...) Österreich soll dem Willen seiner Völker gemäß zu einem Bundesstaate werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiete sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet“, heißt es da. Diese Neuordnung soll „jedem nationalen Einzelstaate seine Selbständigkeit gewährleisten.“

Kaiser Karl war zu spät dran

Doch das Angebot, das noch dazu nur die cisleithanische, also österreichische Reichshälfte, betraf (Ungarn war ausgenommen) kam viel zu spät. In Prag etwa wurde am 28. Oktober die Republik ausgerufen. Galizien schied am 30. Oktober 1918 aus der Monarchie aus.

Niederösterreich spielte in diesen letzten Tagen der Habsburgermonarchie eine zentrale Rolle. Baden war zwei Jahre lang Zentrum Österreich-Ungarns, im Speziellen das Kaiserhaus am Hauptplatz. Am 6. Februar 1918 war hierher der k. u. k. Hof vom Blauen Hof im Schlosspark von Laxenburg verlegt worden. Kaiser Karl I. gab vom ersten Stock des Kaiserhauses seine Befehle, und auch seine Familie wohnte zeitweise hier.

Das Armeeoberkommando war schon im Jänner 1917 nach Baden verlegt worden. Kaiserhaus hieß es übrigens nicht wegen Kaiser Karl, das Haus war bereits 1813 im Auftrag von Kaiser Franz I. angekauft und zur kaiserlichen Sommerresidenz umgebaut worden. Als solche diente sie bis zum Jahr 1834.

Doch zurück zu Kaiser Karl. Am 11. November 1918 hatte er auf die Regierung in Österreich verzichtet und die Entscheidung, „die Deutschösterreich über seine künftige Staatsform trifft“, anerkannt. In seiner Erklärung kam das Wort „Abdankung“ allerdings nicht vor.

In Wien bildete sich am 30. November 1918 eine Regierung unter dem sozialdemokratischen Staatskanzler Karl Renner, der Kaiser und seine Familie übersiedelten in das Schloss Eckartsau im Marchfeld. Von dort ging Karl mit seiner Familie – unter dem Schutz Englands – ins Exil in die Schweiz.

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