Jung, weiblich, Politikerin: Auf Gemeindeebene selten
Irmgard Schibich ist mit 38 Jahren die jüngste Bürgermeisterin des Landes. Sie wünscht sich mehr Mut und Jugend in der Gemeindepolitik.
KURIER: Seit 9. Oktober des Vorjahres sind Sie Bürgermeisterin in Neustift-Innermanzing im Bezirk St. Pölten und damit auch die jüngste in Niederösterreich. Wie sind Sie zur Gemeindepolitik gekommen?
Irmgard Schibich: Ich wusste gar nicht, dass ich die Jüngste bin. Erst 2014 wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, im Gemeinderat tätig zu werden. Davor hatte ich noch nie darüber nachgedacht. Zuerst habe ich gezögert und mir gedacht: Nein, mit Kindern ist das schwer (Anm.: zwei Kinder im schulpflichtigen Alter) und ich wollte wieder zurück in meinen Beruf als Buchhalterin – und eigentlich war es dann so, dass mein Mann mich bestärkt hat und gesagt hat, mach das, probier es. Und dann wurde ich 2015 in den Gemeinderat gewählt. Seit einem halben Jahr bin ich nun Bürgermeisterin und damit die erste Frau, die das Amt in Neustift-Innermanzing (Bezirk St. Pölten-Land, Anm.) innehat.
In NÖ sind zwölf Prozent der Gemeindeoberhäupter weiblich. Ist das Amt für Frauen nicht interessant?
Ich glaube, die Frauen wägen das viel mehr ab, bei den jüngeren steht die Ausbildung im Vordergrund, die in meinem Alter haben die Familie im Fokus und dann kehren sie in die Arbeitswelt zurück. Viele trauen sich das Amt nicht zu. Ich habe mir auch nie vorstellen können, einmal Bürgermeisterin zu sein und doch ist es so. Es ist noch so in den Köpfen drinnen, dass die Frauen im Hintergrund agieren und unterstützen und sich selbst vorne stehen nicht zutrauen.
Sehen Sie es als Ihre Aufgabe, zu zeigen, dass das Vorne-Stehen genauso geht?
Meine Aufgabe ist es, für die Gemeinde und die Bevölkerung das Beste herauszuholen, da geht es nicht um das Vorne-Stehen, da hängt viel mehr daran. Aber es wäre schon schön, wenn es sich mehr Frauen zutrauen. Die Reaktion, die ich von den meisten höre, ist: „Wow, dass du dir das antust.“ Aber ich denke mir, wenn es sich nie eine Frau ‚antuen‘ traut, dann wird sich da nicht viel bewegen.
Sie arbeiten Teilzeit, sind zweifache Mutter und Bürgermeisterin, wie lässt sich das vereinbaren?
Das lässt sich vereinbaren, weil mein Mann mit der Situation umgehen kann, mich bei den Kindern unterstützt. Außerdem helfen meine Familie und die meines Mannes mit.
Und Ihr Appell an andere Frauen, die mit Gedanken spielen, in die Gemeindepolitik zu gehen?
Sie sollen den Mut haben, sollen sich trauen, weil gerade da können sie etwas bewirken – gerade bei Frauenthemen, zum Beispiel Kinderbetreuung, auch wenn man oft Männern gegenübersitzt, die das belächeln. Gemeindepolitik wird häufig von älteren Männern gemacht und da gehören unbedingt mehr junge Frauen als auch Männer hin, weil jede Generation eine andere Sichtweise hat.
Gemeindepolitik der Männer
An Niederösterreichs Spitze steht mit Johanna Mikl-Leitner als Landeshauptfrau erstmals eine Frau. Betrachtet man die Landesregierung, ist das Verhältnis von Frauen und Männern fast ausgeglichen: Die Stellvertreter der Landeshauptfrau sind Männer, die sechs Landesräte setzen sich zusammen aus drei Frauen und drei Männern.
In Schräglage gerät die Mann-Frau-Verteilung dann auf gemeindepolitischer Ebene: Nur zwölf Prozent der Bürgermeister sind weiblich. Niederösterreich hat hier dennoch seit jeher eine Vorreiterrolle in Österreich.
Kreszenzia Hölzl, besser bekannt als Zenzi Hölzl, war die erste Bürgermeisterin Österreichs. 1950 übernahm sie das Amt im niederösterreichischen Gloggnitz im Bezirk Neunkirchen. Heute gibt es 67 Bürgermeisterinnen in Niederösterreich, ihnen gegenüber stehen 506 Bürgermeister. Österreichweit hat Niederösterreich damit aber den größten Frauenanteil. 2.096 Bürgermeister gibt es in Österreich derzeit, davon sind laut Gemeindebund 165 weiblich. Das sind gerade einmal 7,8 Prozent. Obwohl sich die Anzahl in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdreifacht hat (1999 waren es nur 45 Bürgermeisterinnen), gibt es auf der Ebene der Gemeindepolitik noch Aufholbedarf.
Bei der Gemeinderatswahl im Frühjahr 2020 gibt es wieder die Möglichkeit, den Frauenanteil auf gemeindepolitischer Ebene zu erhöhen. In den österreichischen Gemeinderäten sind immerhin ein Viertel Frauen.
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