Iran meets Israel: Grenzenlose Freundschaft

Iran meets Israel: Grenzenlose Freundschaft
Der gebürtige Iraner Hamid und der Jude Samuel leben in Niederösterreich Garten an Garten – in perfekter Harmonie.

Es ist einer dieser wunderbaren, strahlend klaren Herbsttage. Samuel und Hamid, beide bereits gesetztere Herren, genießen auf der kleinen Terrasse bei Kaffee und Kuchen die wärmenden Sonnenstrahlen. Diesmal lädt der in Israel geborene Samuel Welber seinen iranischen Nachbarn Hamid Rahimi zum Plausch in der herausgeputzten Reihenhaus-Siedlung im niederösterreichischen Maria Ellend.

Seitdem sie 2006 eingezogen sind, leben sie Tür an Tür, Garten an Garten – und sind die besten Freunde. Und sie verkörpern die Antithese zu den Regierungen in ihrer ursprünglichen Heimat. Denn dort wird das Kriegsgeheul von Tag zu Tag lauter (siehe unten). „Das ist doch alles Wahnsinn“, betonen die beiden Männer unisono, „zum friedlichen Zusammenleben gibt es keine Alternative.“ Zwischen ihren Gärten wollten sie eigentlich gar keinen Zaun errichten, „aber unser Hund war dann immer drüben, im Iran sozusagen“, sagt Samuel. Rahimi lacht. Jetzt trennen nur 50 Zentimeter hohe Holzlatten die beiden Familien, das ist aber auch schon das Einzige.

Miriam, der elfjährige Wirbelwind der Welbers, kommt soeben von der Schule. Sie zischt vorbei an der Gartentür, das Schild am Eingang – „Shalom“, auch in hebräischer Schrift – nimmt sie nicht mehr bewusst wahr: Für sie ist Frieden gelebte Realität. Sie knallt ihren Schulrucksack in eine Ecke, gibt Mama und Papa ein dickes Begrüßungsbussi, dann ist wie selbstverständlich Rahimi an der Reihe.

„Weil jeweils zwei unserer insgesamt vier Kinder ungefähr gleich alt sind, zehn und elf die Kleinen, 17 und 19 die Großen, haben sie von Anfang an miteinander gespielt oder auch gelernt. Die Geburtstage feiern wir sowieso gemeinsam“, beschreibt Samuel den Alltag in der erweiterten Familie.

Frieden gefunden

Hier hat er seinen Frieden gefunden. Das war aber nicht immer so. „Ich war dreieinhalb Jahre Soldat in Israel. Mein Schlüsselerlebnis war die erste Intifada 1988 (palästinensischer Aufstand) . Ich war im Gazastreifen eingesetzt, und das war ein reiner Kampf gegen Frauen und Kinder. Damit wollte ich nichts zu tun haben. Ende ’89 bin ich dann ausgewandert und seit 1992 in Österreich“, schildert der 49-Jährige, der als Heimhelfer bei der Caritas arbeitet.

Die Ablehnung der staatlich verordneten Gewalt verbindet ihn mit dem fast gleichaltrigen Hamid. Er wurde 1985/1986 von den iranischen Mullahs in die Schlacht gegen aufständische Kurden gehetzt. „Ich sollte 122-Millimeter-Artillerie-Geschoße gegen ihre Stellungen abfeuern. Ich habe mich aber geweigert und wurde verhaftet“, sagt der 50-Jährige. Es gelang ihm die Flucht, nach einer abenteuerlichen Odyssee über Pakistan landete er 1988 als politischer Flüchtling in Österreich und arbeitet heute als Techniker für ein Unternehmen in Wien.

Das islamistische Regime in Teheran bezeichnet Hamid als „kriminell“, aber israelische Bomben auf den Iran lehnt er ab. Und ist damit einer Meinung mit Samuel: „Das ist doch absurd. Beide Länder benützen vorgeschobene Argumente, um von den eigenen Problemen abzulenken. Der Iran lässt den Atomstreit mit dem Westen hochkochen, um sich darüber hinwegzuturnen, dass die Wirtschaft auf dem Boden liegt, die Jugend keine Perspektiven hat und letztlich, um die Diktatur zu festigen. Und Israel stellt die Bedrohung durch den Iran ins Zentrum, um sich vor der längst überfällig friedlichen Lösung der Palästinenser-Frage zu drücken“, analysiert der gebürtige Israeli.

Letzteres ist für ihn der Schlüssel für eine Normalisierung in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens. Deswegen setzt er sich mittels Mahnwachen in Österreich auch öffentlich für einen „gerechten Frieden“ in der Region ein, bei dem „die Palästinenser nicht mehr als Menschen zweiter Klasse eingestuft werden“. Wegen solcher Aussagen hätten ihn andere Juden schon mehrfach als „Nestbeschmutzer“ beschimpft. Samuel nimmt’s gelassen: „Ich werde weiter die Wahrheit aussprechen.“

Existenzrecht für alle

Iran meets Israel: Grenzenlose Freundschaft

2000 Jahre Juden-Verfolgung seien eine riesige Katastrophe gewesen, aber, und jetzt wird der ansonsten immer lächelnde 49-Jährige ganz ernst, „heute sind die Israelis die Täter, das kann auch mit der Antisemitismus-Keule nicht mehr zugedeckt werden“. Alle in Nahost sollten ein gleichwertiges Existenzrecht haben, Juden wie Muslime und Christen.

Hamid nickt, nippt an seinem Kaffee und umarmt Samuel. Dann geht er. „Bis bald“, sagt er beiläufig und steigt über das Zäunchen. Morgen kommen die Welbers zum Grillen – für die neuerliche Familien-Zusammenführung braucht es nur einen kleinen Schritt.

Iran – Israel/USA: Gegenseitige Drohungen

Im Atomstreit mit Teheran sind die Fronten verhärtet, die Sanktionen des Westens haben kaum etwas bewirkt, das Säbelrasseln wird lauter.

Israel Premier Netanyahu drängt immer massiver auf einen Militärschlag, da ein nuklear bewaffneter Iran die Existenz Israels bedrohe. In „Monaten oder Wochen“, so der Regierungschef diese Woche in New York, könnte das Regime an der Schwelle zur Atombombe stehen.

USA Auch der wichtigste Verbündete Israels droht dem Mullah-Regime. Zuletzt sagte US-Präsident Obama vor der UNO, dass Washington alles Nötige unternehmen werde, damit der Iran nicht in den Besitz der Bombe kommt.

Iran Teheran beharrt auf seinem Atomprogramm, das ausschließlich zivilen Zwecken diene. Im Fall eines israelischen Angriffes, der einen „Dritten Weltkrieg“ auslösen könnte, so ein iranischer General, würde man auch US-Militärbasen attackieren – selbst wenn sich die USA nicht an dem Waffengang beteiligen sollten. Ein Präventivschlag gegen Israel wurde ebenfalls schon angedacht.

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