Heimskandal könnte dem Land NÖ teuer zu stehen kommen
Der vermeintliche Heimskandal fliegt fünf Jahre nach der Zwangsschließung von drei Kinder- und Jugendheimen den politisch Verantwortlichen in Niederösterreich um die Ohren.
Mit dem Freispruch (nicht rechtskräftig) des früheren Geschäftsführers der Heime der Therapeutischen Gemeinschaft (TG), Hermann R., hat sich auch das letzte Verdachtsmoment gegen die Einrichtungen am Donnerstag am Landesgericht Wiener Neustadt in Luft aufgelöst. Der damalige Alleingang des politisch verantwortlichen SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreters Franz Schnabl könnte dem Land teuer zu stehen kommen.
Weil womöglich die rechtliche Grundlage für die Zwangsschließung fehlte, wurde vom bankrotten Trägerverein der Heime eine Schadenersatzklage über 700.000 Euro beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gegen das Land Niederösterreich eingebracht. Drei Tage vor der anstehenden Landtagswahl kommt die Nachricht über den Freispruch für Spitzenkandidat Franz Schnabl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Kinder gefährdet
2018 hat der damalige Landesrat die Heime für schwer verhaltensauffällige Kinder in Jaidhof (Bezirk Krems), Ebenfurth (Bezirk Wiener Neustadt) und Sitzendorf an der Schmida (Bezirk Hollabrunn) mit Polizeiunterstützung zwangsschließen lassen. „Wenn es um die Gefährdung von Kindern geht, haben wir die Verantwortung sofort zu handeln. Dieser Verantwortung sind wir nachgekommen“, lautet Schnabls Reaktion nach dem Freispruch am Donnerstag. 80 Mitarbeiter verloren den Job, 16 Heimkinder ihre Bleibe.
Demos vor dem Landhaus
Basis für das Einschreiten waren 150 angeblich skandalöse Verdachtsmomente aus dem geheimen Bericht einer Sonderkommission. Drei Staatsanwaltschaften ermittelten in Folge bis zu zwei Jahre gegen die Heime und Geschäftsführer Hermann R.; zur Anklage kam jedoch kein einziger Punkt.
Jener Vorwurf des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses, der nun in dem Freispruch endete, war der Kommission nicht bekannt. Als 2018 vor dem nö. Landhaus in St. Pölten gegen die Schließungen demonstriert wurde, behauptete ein heute 30-jähriger Schützling, früher von Hermann R. sexuell missbraucht worden zu sein. Zeitgleich suchte er um Opferrente nach dem Heimopfergesetz an.
Persönlichkeitsstörung
Der erste Vorfall soll sich 2009 ereignet haben, als der Jugendliche 16 Jahre alt war. Angezeigt wurde die Sache von ihm aber erst knapp zehn Jahre später. Richter Gerald Grafl schenkte den Schilderungen des angeblichen Opfers nach tagelangen Verhandlungen allerdings wenig Glauben. Vom Gutachter wird dem Mann eine „kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ausgeprägten narzisstisch-dissozialen Zügen“ attestiert.
Der psychologisch schwer auffällige Ex-Heiminsasse mit schwerer Vergangenheit bezichtigte bereits behandelnde Therapeuten und Ärzte des Missbrauchs. „Selbst seine Mutter hat ausgesagt, dass er sich immer schon als Missbrauchsopfer dargestellt hat“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung.
Verteidiger Dieter Elsinger sah in dem Verfahren nicht einmal den angeklagten Tatbestand gegeben, da kein Autoritätsverhältnis zwischen dem Mann und dem Angeklagten bestanden habe. „Er war nicht sein Betreuer oder Therapeut“, sagt Elsinger.
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