Pistolen und Revolver weg: Heikle Waffen-Affäre bei der Polizei in NÖ
Wegen des Vorwurfs des Wahlbetrugs wurde sie im Vorjahr in der Stimmzettel-Affäre im Zweifel freigesprochen. Jetzt wiegen die Anschuldigungen viel schwerer.
Eine Amtsrätin der Landespolizeidirektion Niederösterreich steht im Zentrum sensibler Ermittlungen. Sie soll als Leiterin des Waffenreferats bei der Polizei Wiener Neustadt Schusswaffen abgezweigt und unter der Hand an Waffenhändler weiterverkauft haben. Außerdem geht es um möglichen Waffendiebstahl.
Wenn in der Republik Schusswaffen aus Melderegistern verschwinden und zweckentfremdet werden, ist Feuer am Dach. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl, bestätigt eine solch heikle Causa. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen die 50-jährige Amtsrätin ist anhängig. Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) führt seit Wochen Ermittlungen.
„Neben dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs geht es um eine Reihe anderer Delikte. Unter anderem um den Diebstahl von Waffen aus dem Depot des Polizeikommissariats, um Urkundenunterdrückung, rechtswidrige Löschungen im Zentralen Waffenregister und unrechtmäßige Dokumentationen in zahlreichen Fällen“, sagt Habitzl. Diverse Waffenakte seien verschwunden.
Bis jetzt sollen an die 50 Zeugen vernommen worden sein, weitere folgen. Es handelt sich unter anderem um Personen, die seit 2021 bei der Polizei ihre Waffenbesitzkarten oder Waffenpässe und die dazugehörigen Pistolen, Revolver oder Halbautomaten zurückgelegt haben. Bei dem Verzicht auf eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geht diese in den Besitz der Republik über.
Wie die BAK-Ermittler herausgefunden haben, soll diese übliche Vorgangsweise gekonnt umgangen worden sein. Bei der Rückgabe von Waffen seien Besitzer überredet worden, ihre Pistolen dem hiesigen Polizei-Sportverein zu spenden. Mit der Unterschrift auf einem Formular willigten sie ein.
Polizeisportvereinigung
Allerdings sind die Schusswaffen nie bei den Polizei-Schützen angekommen. Der Wiener Neustädter Stadtpolizeikommandant, Manfred Fries, ist Obmann der Polizeisportvereinigung. Wie er bestätigt, ist in den vergangenen beiden Jahren keine einzige dieser Waffen an den Verein übergeben worden.
Die Amtsrätin steht im dringenden Verdacht, die Pistolen und Revolver an einen bekannten Waffenhändler in der Region verkauft zu haben. Auch im Depot beschlagnahmter Waffen der Polizei sollen Exemplare fehlen.
Kommunalpolitik
Den Ermittlern waren verdächtige Ein- und Austragungen im Zentralen Waffenregister aufgefallen. Die Referatsleiterin, die im Bezirk Baden auch Kommunalpolitikerin ist, befindet sich seit Bekanntwerden der Affäre im Krankenstand. An der Gemeinderatssitzung Donnerstag Abend hat die „wilde“ Abgeordnete aber teilgenommen. Sie war zuletzt Hauptdarstellerin einer wahlentscheidenden Affäre. Der 50-Jährigen wurde im Vorjahr am Landesgericht Wiener Neustadt der Prozess gemacht, weil sie im Verdacht stand, im Zuge der Gemeinderatswahlen 14 abgegebene Stimmzettel auf der Rathaus-Toilette entsorgt zu haben.
Es kam zur Wahlwiederholung, was SPÖ-Bürgermeister Wolfgang Kocevar eine Absolute einbrachte. Die Wahlhelferin wurde damals freigesprochen.
Schusswaffen
Die Rückgabe und der Verzicht auf genehmigungspflichtige Schusswaffen ist im Waffengesetz geregelt. Übergibt der Besitzer seine Waffe der Behörde, muss er schriftlich und unwiderruflich bestätigen, auf sein Eigentum zugunsten der Republik zu verzichten. Eine Entschädigung für zurückgelegte Waffen ist nicht vorgesehen
5.266 Schusswaffen wurden 2021 bei den Polizeibehörden österreichweit abgegeben (4.973 im Jahr 2020)
Versteigerung
Die abgegebenen Waffen können staatlichen Einrichtungen oder Sammlungen zur Verfügung gestellt werden. Anschließend sind sie öffentlich zu versteigern. Ist aufgrund der Beschaffenheit oder des Alters eine Versteigerung nicht mehr zweckmäßig, kommt es zur Vernichtung
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