Als die Punks zur Au-Besetzung nach Hainburg kamen

Eine Menschenmenge ist in einem Zelt zu sehen. Das Schwarzweißfoto zeigt dick angezogene Männer und Frauen.
Tausende verhinderten vor 40 Jahren den Kraftwerkbau. Einige Aktivisten von damals sind Aktivisten von heute. Was sie fordern.

Die Gendarmen hielten die Wurstsemmeln in der Hand, die Aubesetzer aßen wenige Meter entfernt ihr warmes Gulasch. Die Lage war eisig in der Hainburger Au. Besetzer gegen Staatsmacht – und das bei minus 15 Grad.

Genau vor 40 Jahren hat die Besetzung der Donauauen bei Stopfenreuth begonnen. Tausende Frauen und Männer verhinderten den Bau des Donaukraftwerks (Chronologie siehe unten).

„Es hat ständig Gulasch gegeben“, erzählt Wolfgang Pekny bei der Veranstaltung „Hainburg 84. Zeitenwender und Zukunftsmacher“ vor wenigen Tagen in Hainburg. „Damals war noch niemand vegan.“ Das Publikum lacht. 

Die Ersten auf den Barrikaden

Pekny war einer der Aktivisten, die 1984 vom Anfang bis zum Ende in der Au blieben.

Der offizielle Anfang, das war der Sternmarsch am 8. Dezember. Da weilte Pekny schon im Dickicht, um sich vorzubereiten. Immer mehr Menschen strömten in die Au. Autonome, Familien, Politiker, Studenten, Arbeiter, Angestellte, Professoren, Ärzte, Anwälte, Schüler, Rechte, Linke, Promis. Fotografen hielten all das fest: Legendäre Bilder entstanden. 

Prinz Philip und drei weitere Männer in einem Ruderboot auf dem Wasser.

Prinz Philip in der Hainburger Au

Im Mai 1984 fuhr Prinz Philipp durch die  Donauauen. Er war Präsident des WWF international und rief zum Schutz der Au auf.

Eine Gruppe von Menschen, einige in Tierkostümen, posiert für ein Foto.

Pressekonferenz der Tiere

Bei der Veranstaltung waren unter anderem Othmar Karas, Bernd Lötsch, Maria Bill, Günther Nenning, Herbert Rainer (erste Reihe von li.) mit dabei. Sie stellten das Volksbegehren zum Schutz der Au vor.

Mehrere Personen schlafen in Schlafsäcken vor einer Barrikade aus Ästen im Freien.

Barrikaden in den Donauauen

Das Kraftwerk zu verhindern, war harte Arbeit. Es hatte bis zu minus 15 Grad.

Polizisten stehen vor einer Menschenmenge mit einer rot-weiß-grünen Flagge.

Aufmarsch der Polizei

Polizei sollte Rodungen in der Au sicherstellen

Polizisten nehmen Demonstranten auf einem Feld fest.

Zusammenstöße

Polizisten wollten sich bei der geplanten Räumung durchsetzen. Aubesetzer wurden verletzt.

Eine große Menschenmenge versammelt sich im Freien zu einer religiösen Zeremonie im Winter.

Gesegneter Protest

Auch ein Altar wurde in den Donauauen aufgebaut. 

Zwei Jungen und ein Mann posieren 1984 vor einem Transparent mit der Aufschrift „Weihnacht, Geburt Christi mit Bagger u. Motorsäge“.

Barrikaden II

Viele junge Leute waren bei den Protesten vor Ort

Reisende warten auf den Sonderzug nach Deutsch Altenburg, Abfahrt 7:58 Uhr von Gleis 6.

Ausgeklügelte Logistik

Sonderzüge brachten Demonstranten. Auboten trugen die Nachrichten durch den Wald. 

Eine Gruppe von Aktivisten hält ein Plakat mit der Aufschrift „Die freie Natur ist unsere Freiheit“ im Winterwald.

Friedlicher Protest

Friedensreich Hundertwasser (li) in der  Au

Auch Künstler waren in der Au, wie Friedensreich Hundertwasser, der im Zelt „von seinem Manager mit einer Daunendecke ausgestattet wurde“, erzählt Bernd Lötsch, Biologe und Hainburg-Ikone. Und „der immer ein junges Mädchen im Schlafsack dabei hatte, worum ich ihn immer sehr beneidet habe“.

Tausende Besetzer, Tausende Geschichten

Lötsch blieben viele Erinnerungen, an den Erfolg – und an die Kälte. „Ich war glücklich, wenn ich ins Parlament musste.“ Hier verhandelten die Besetzer mit der Regierung. „Im Parlament war es warm, aber die Stimmung war eisig.“

Beim Erzählen der Au-Anekdoten sollte es für Lötsch, wie für viele andere, die an vorderster Front in den Lagern der Au tätig waren, nicht bleiben. „Hainburg war ein immenser Erfolg. Eine Zeitenwende“, erklärt Gerhard Heilingbrunner, der heute Ehrenpräsident des Umweltdachverbands ist. Aber er richtet den Blick nach vorne und fordert sechs neue Nationalparks für Österreich.

"Ja keine Gewalt" ließ Nobelpreisträger Konrad Lorenz wissen

„Es braucht Energieraumplanung“, sagt Wolfgang Rehm, Aubesetzer von damals und Mitbegründer der Umweltschutzorganisation Virus. „Rücksichtlose Naturzerstörung ist auch im Rahmen einer Energie- und Klimawende weder geboten noch gerechtfertigt.“ Energie- und Klimafragen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Obwohl er lieber über die Gegenwart spricht, hat er doch viel mitgenommen aus der Au. „Es gab ein stilles Einverständnis, dass es gewaltfrei abläuft“, erzählt er bei der Veranstaltung in Hainburg.

Doris Holler-Bruckner, einst Aubesetzerin, heute Umweltjournalistin, hat das Event in der „Kulturfabrik“ organisiert. Von hier kann man auf das gegenüberliegende Ufer blicken, die einst umkämpfte Au.

Fünf ehemalige Aubesetzer stehen am Donauufer. Der Wind zerzaust ihnen die Haare. Im Hintergrund fließt die Donau.

Die Au liegt hintern ihnen - aber nicht sprichwörtlich. Die Aubesetzer von damals bei der Donau in Hainburg.

Heute ist sie der Nationalpark geworden, den die Aktivisten gefordert haben. Still liegt er in der Kälte da. Menschenleer.

Einkaufslisten

Vor 40 Jahren war viel los. Über die Aublätter, eine Zeitung, kommunizierten die Menschen in den verschiedenen Lagern, die über die Au verteilt waren. 

Die Mappe der Aublätter. Das Papier ist zerfleddert.

Gesammelte Werke: Mit selbstgebastelten Zeitungen wurden Aubesetzer über neueste Entwicklungen informiert. 

Die Organisation wuchs mit der Herausforderung. Und die war riesig. Die Besetzer mussten Feuer machen, kochen, abwaschen – und Latrinen graben. In den gefrorenen Boden rammten sie die Löcher. Für die Latrinen brauchte es Kalk. Fürs Essen Lebensmittel. Boten brachten die Einkaufslisten aus den Lagern nach draußen.

Gebraucht wurden auch Schlafsäcke und Decken, denn manche kamen mit nichts in die Au, wie Hausbesetzer aus der Wiener Gassergasse, „Gassergassler“ genannt. „Ihr werdets dafrieren“, sagte Pekny zu ihnen. Er übrigens ist ein Mitbegründer der Plattform „Footprint“, die den ökologischen Fußabdruck als wesentliche Maßzahl in der Gesellschaft verankern will. Die Punks blieben gelassen. Sie sagten: „Wir sterben für die Au.“

Und wuschen die verkrusteten Gulaschtöpfe ab.

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