NÖ: Große Lücke bei medizinischer Versorgung der Kleinen

Mädchen wird von männlichem Arzt geimpft.
Im Weinviertel haben innerhalb kürzester Zeit drei Mediziner aufgehört. Auch im Bezirk Baden ist die Lage prekär.

Eine Familie aus Gaweinstal (Bezirk Mistelbach) weiß nicht mehr ein und aus: Der Nachwuchs ist zwei und vier Jahre alt, der regelmäßige Besuch bei einem Kinderarzt also ein Muss. Doch ausgerechnet Kassenkinderärzte sind in der Region Mangelware, und die Situation spitzt sich immer mehr zu. Binnen kürzester Zeit haben die Bezirke Gänserndorf und Mistelbach drei Mediziner verloren.

Ein Kinderarzt in Zistersdorf musste aufgrund einer Erkrankung schließen, in Gänserndorf und Mistelbach haben sich zwei Ärzte entschieden, ihren Kassenvertrag nicht mehr zu verlängern. Für den Bezirk Gänserndorf bedeutet das, dass es nur dort noch einen Kinderkassenarzt gibt, nämlich in Engelhartstetten. Was bleibt, ist der Besuch bei einem Wahlarzt oder bei einem Allgemeinmediziner.

„Diesen Wahnsinn können wir nicht einfach so hinnehmen“, sind sich die SPÖ-Bezirksvorsitzenden René Zonschits (Gänserndorf) und Melanie Erasim (Mistelbach) einig. „Immer mehr Eltern wenden sich sorgenvoll an uns, weil sie nicht mehr wissen, wohin sie mit ihren Kindern gehen sollen, wenn so viele Ärzte zeitgleich ihren Vertrag mit der ÖGK lösen“, sagt Erasim. Deshalb kündigen die beiden SPÖ-Vertreter nun eine bezirksübergreifende Petition an.

Forderungen

Ihr Ziel ist es in allererster Linie, eine zusätzliche Kassenstelle im Norden des Bezirks Gänserndorf zu erwirken. Die Petition wird im Nationalrat und im Bundesrat eingebracht werden, außerdem will die SPÖ ihre Forderung an die zuständigen Stellen, wie die ÖGK, richten.

Children's Play Room

Ordinationen sind verwaist, weil Ärzte fehlen

Ähnliche Zustände werden auch im Bezirk Baden bekrittelt. Insgesamt gibt es hier bei einer Einwohnerzahl von rund 148.000 Menschen nur zwei Kinderärzte mit Kassenverträgen. In Traiskirchen ist seit April 2019 eine Kinderarztstelle unbesetzt, kritisieren SP-Landtagsabgeordnete Karin Scheele und GVV-Bezirksvorsitzender Daniel Pongratz. Auf einen Kinderarzt mit Kassenvertrag kämen 10.633 Kinder und Jugendliche bis 15 Jahren.

"Bedarf ist eklatant"

Ein ähnliches Bild ergebe sich etwa bei Neurologen: „Hier stehen den Patientinnen und Patienten lediglich zwei Fachärzte zur Verfügung. Dafür ordinieren 15 Wahlärzte für diesen medizinischen Bereich, was zeigt, dass der Bedarf eklatant vorhanden ist“, sagen Scheele und Pongratz. Und nicht nur bei den Fachärzten hapere es. „Vakant sind derzeit fünf Kassenarztstellen, teilweise werden seit 2021 Allgemeinmediziner gesucht“. 63 Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag gibt es im Bezirk, 65 ohne.

Bewerber fehlen

Dass es nicht nur in den beiden Bezirken, sondern in ganz Niederösterreich an Kassen(kinder)ärzten fehlt, ist bekannt. Ende September waren neun von 43 Kassenstellen laut Ärztekammer unbesetzt, Tendenz steigend.

Es gibt also ein großes Gehen, aber kaum ein Kommen; für Zistersdorf hat die Kammer einen Nachfolger gesucht, ohne Erfolg. Daraufhin wurde die Stelle mit freier Standortwahl ausgeschrieben, woraufhin sich eine Kinderärztin in Engelhartstetten angesiedelt hat. Für Eltern im Norden des Bezirks Gänserndorf bedeutet das aber in der Praxis, dass der nächste Kassenkinderarzt gut eine Stunde entfernt liegt. Eine Situation, die auch die Ärztekammer NÖ nicht beschönigt. „Der Bedarf an Kassenfachärztinnen für Kinder- und Jugendheilkunde kann im Bezirk derzeit leider nicht vollständig gedeckt werden“, berichtet Vizepräsidentin Martina Hasenhündl.

Schon Anfang des Jahres forderte die Kammer, die Honorare massiv anzuheben. Denn dann hätten auch Kinderärzte die Möglichkeit, junge Kollegen anzustellen – und diese müssten sich wiederum nicht selbstständig machen, was für viele eine Frage der Work-Life-Balance sei. „Nicht nur wir als Ärztekammer, auch die Kassa muss mit allen Mitteln versuchen, die Arbeitsbelastung dieser Fachgruppe zu senken, um sie im Kassenvertrag zu halten“, ist Hasenhündl überzeugt.

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