Gift im Boden und im Wasser: Mieter ziehen vor Gericht

Über die giftigen Substanzen im Boden ihres Grundstücks wurden Leopold Haas und seine Familie erst im Vorjahr informiert.
Genossenschaft baute auf dem Areal einer ehemaligen Teerfabrik in Angern Häuser.

Das Urteil des Umweltbundesamtes lässt keine Zweifel zu: "Durch die Nutzung (...) als Wohngebiet ist anzunehmen, dass es zu einer Schadstoffaufnahme der ansässigen Wohnbevölkerung kommt. Auf Basis einer Risikoanalyse können langfristige Wirkungen auf die Gesundheit nicht ausgeschlossen werden."

Konkret geht es um eine Siedlung in Angern/March, Weinviertel, die auf dem Areal einer ehemaligen Teerfabrik gebaut wurde. Mehrere Bewohner klagen über gesundheitliche Schäden. Und ärgern sich. Denn dass Boden und Grundwasser mit Umweltgiften verseucht sind, ist seit Langem bekannt. Doch anscheinend nicht allen – etwa dem Eigentümer des 11,2 Hektar großen Standortes: Die Neunkirchner Genossenschaft SGN. Genau diese Frage wird nun vor Gericht geklärt.

Getäuscht

Gift im Boden und im Wasser: Mieter ziehen vor Gericht
Betroffener Karl Hermann Angern
"Wir wurden über Jahre belogen", sagt Karl Hermann, der seit der Eröffnung der Anlage 2001 in Angern wohnte. Darüber hinaus wurde ihm das Reihenhaus 2011 zum Kauf angeboten, und zwar lastenfrei. "Zu diesem Zeitpunkt muss die Genossenschaft schon längst vom kontaminierten Boden gewusst haben. Ich halte das Vorgehen deshalb für einen gewerbsmäßigen Betrug", sagt Hermann. Gleichzeitig war ihm damit auch klar, dass seine Zukunft nicht in Angern liegt. Der Mietvertrag wurde umgehend gekündigt. Und das, obwohl er in den vergangenen Jahren mehr als 100.000 Euro investiert hat. Mithilfe seines Anwaltes Franz Karl Juraczka will er sich Geld zurückholen. 30 Prozent Mietzinsminderung rückwirkend werden gefordert. "Mein Mandant wurde arglistig getäuscht", sagt Juraczka. "Vor 2012 hat es dort 900 Bohrungen gegeben."

"Wir haben selbst erst 2013 von den Verunreinigungen erfahren", wehrt sich Wolfgang Peterl, Geschäftsführer der Genossenschaft. Das Umweltbundesamt stellte bereits Jahre vorher Mineralöl, Kohlenwasserstoffe, Arsen oder Quecksilber in Boden und Grundwasser fest.

Juraczka vertritt auch Hermanns ehemaligen Nachbarn, Saeed Vazirnia. "Ich wollte mir das Haus eigentlich als Altersvorsorge kaufen, aber jetzt ist das Grundstück nichts mehr wert", klagt er. Letztlich war beiden Betroffenen die Gesundheit ihrer Familien wichtiger. "Meine beiden Söhne hatten ständig Nasenbluten, bei mir selbst wurde der Verdacht auf ALS (Erkrankung des motorischen Nervensystems, Anm.) diagnostiziert", sagt Hermann. Auch deshalb will er sein Anliegen durchfechten.

Große Überraschung

Leopold Haas lebt noch immer in der Siedlung. Anfang 2009 war er mit seiner Familie von Wien nach Angern gezogen. "Wir wollten aus Wien hinaus, an die frische Luft", erklärt er seine damaligen Beweggründe. Seine Frau ergänzt: "Damals habe ich Angern überhaupt nicht gekannt, ich bin nur dem Navi nachgefahren." Umso größer war im Vorjahr die Überraschung, als man aus den Medien über die Kontamination erfuhr. "Ich bin aus allen Wolken gefallen", gibt Haas zu. Er will trotzdem bleiben. Einen Wegzug kann er sich nicht leisten.

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