Flüchtlinge: Epidemie ist vorerst abgesagt

Die Angst, dass mit der Zahl der Schutzsuchenden auch die Fälle gefährlicher Krankheiten steigen, scheint unbegründet.
Die Zahl meldepflichtiger Krankheiten blieb sogar in Traiskirchen konstant niedrig.

Offene Tuberkulose im Asylwerberheim – mehrere Fälle! Es war ein bedrohliches Gerücht, das vergangene Woche im niederösterreichischen Langenlois die Runde machte. "Von einem Bekannten" hörte es Andreas B., "der ist kein Dampfplauderer. Da muss was dran sein." Das Totschlagargument. Tatsächlich hat es lediglich einen Verdachtsfall gegeben – und der blieb unbestätigt.

Die Furcht, dass mit der Zahl von Schutzsuchenden in Österreich auch die Fälle gefährlicher Infektionskrankheiten steigen, sitzt tief. Bloß, belegen lässt sie sich nicht. Die Zahlen bei Ruhr und TBC bleiben österreichweit konstant – der KURIER berichtete. Aus dem Gesundheitsministerium gibt es jetzt auch Angaben speziell für Betreuungsstellen und Verteilerzentren. Sie zeigen: Die Epidemie ist erst einmal abgesagt.

Einzelfälle

Abgesehen von der Betreuungsstelle Ost in Traiskirchen bleiben meldepflichtige Krankheiten wie TBC oder Hepatitis C Einzelfälle. Einen Tuberkulosefall meldete etwa die Betreuungsstelle Süd in Reichenau/Rax. Im oberösterreichischen Thalham waren es fünf.

Die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten war es, die Anfang August zum Aufnahmestopp in Traiskirchen geführt hat. Dort gab es in absoluten Zahlen zwar deutlich mehr Fälle als an anderen Stellen. In Panik muss man bei 46 TBC- und 14 Hepatitis-C-Meldungen zwischen Jänner und Oktober 2015 aber nicht verfallen. Besonders nicht, wenn man berücksichtigt, dass es 2014 56 und 2013 53 TBC-Fälle gab. Auch bei Hepatitis C lag die Zahl mit 48 2014 und 20 2013 höher – bei deutlich geringeren Belagszahlen.

Mindestens zwei Mal wird jeder Schutzsuchende untersucht, bevor er in die Grundversorgung kommt. "Nach der Erstuntersuchung gibt es noch einen Check, bevor die Menschen in die Länderquartiere kommen", erklärt Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium.

In der Grundversorgung sind die Asylwerber krankenversichert, können somit die Leistungen von Kassenärzten in Anspruch nehmen. Die Kosten tragen Bund und Länder. Kapazitätsprobleme sieht man durch den steigenden Bedarf in den Ministerien nicht.

"In gutem Zustand"

Michael Kunze, Leiter des Instituts für Sozialmedizin an der MedUni Wien, überraschen die Zahlen aus dem Gesundheitsministerium nicht: "Die Frage nach den Fallzahlen bei Infektionskrankheiten hängt natürlich stark davon ab, welche Menschen kommen." Syrien habe bis zur Eskalation des Bürgerkrieges ein gut funktionierendes Gesundheitssystem gehabt. "Die Menschen sind zwar erschöpft, aber insgesamt sozusagen in gutem Zustand", meint Kunze.

Mit dem Belagsstand in Traiskirchen sei auch die latente Gefahr der Ausbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten gesunken. Eines macht Kunze aber nach wie vor Sorgen: "Ich denke, dass die Influenzafälle heuer stark zunehmen werden."

Seit 20 Jahren betreut Martin Freiler, Praktischer Arzt aus Maria Enzersdorf (NÖ), Flüchtlinge. Einmal pro Woche besucht er die Menschen im Kloster St. Gabriel. Menschen, die medizinische Betreuung nötig haben – Dialysepatienten, Flüchtlinge mit Tumorerkrankungen oder Herzsinsuffizienz. Neben den 150 Menschen in der Sonderbetreuung sind auch noch 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Kloster untergebracht.

"Natürlich ist der Aufwand im letzten Jahr gestiegen, aber das ist zu bewältigen", meint Freiler, dessen Frau Petra sich mit der Flüchtlingshilfe Lebensraum um die Schutzsuchenden kümmert. Auch Patienten mit Tuberkulose oder Hepatitis hat Freiler im Kloster. Dass es sich auch heuer lediglich um Einzelfälle handelt, überrascht ihn nicht. "Wieso sollten die Menschen, die zu uns kommen jetzt alle krank sein?", meint er, "in Wirklichkeit haben wir andere Probleme. Etwa, dass es schwierig ist, Wohnraum für die Menschen zu organisieren."

Dass Teile der Bevölkerung nach dem Zustrom der vergangenen Monate verunsichert sind, hat der Allgemeinmediziner natürlich registriert. Grund dazu sieht er allerdings keinen: "Es gibt eine Erstuntersuchung und dann noch einmal einen Check, bevor die Menschen in ihre Quartiere kommen. Da sind sie ja genauer untersucht als mancher Österreicher."

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