"Extrem knapp aufgefahren"
Umso mehr dafür beim Familienvater, der sich erinnert: "Es war in der 80er-Zone. Wir sind 80 auf der vierten Spur gefahren, weil die anderen Spuren auch ziemlich voll waren, da habe ich im Rückspiegel einen Wagen gesehen, der immer wieder aufgeblendet hat. Er hat auch gehupt." Der Lenker sei "extrem knapp aufgefahren". "Als dann die dritte Spur frei war, bin ich hinübergefahren, da war er aber schon wieder hinter mir. Anscheinend hatte er versucht, rechts zu überholen."
Schließlich sei der Ungeduldige links an seinem Wagen vorbeigezogen. "Aber nur bis er auf der selben Höhe war, dann hat er plötzlich herübergeschnitten, ich musste das Auto verreißen, sonst hätte es sicher eine Kollision gegeben", schildert der Zeuge. "Ich war wirklich schockiert. Dass jemand drängelt oder deutet, kommt ja öfter vor, aber so etwas ist unglaublich. Ich hatte vor allem Angst um mein Kind und bin deswegen zur Polizei gefahren, um Anzeige zu erstatten. Das habe ich vorher noch nie gemacht."
Die Marke und das Kennzeichen des Wagens hatte sich der Mann gemerkt. Bei der Farbe war er sich nicht mehr ganz sicher: "Er war sehr hell. Weiß oder silber."
"Welche Farbe hat ihr Auto?", fragt die Richterin daher den Angeklagten. "Silber", sagt dieser - und lacht.
Trotzdem behauptet der 60-Jährige, zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht auf der Südautobahn bei Wiener Neudorf gewesen zu sein. Als vermeintlichen Beweis legt der Lkw-Fahrer die Rechnung einer Tankstelle in Deutsch-Wagram vor. "Das war 45 Minuten vor dem Zwischenfall, was soll das beweisen?", wundert sich die Richterin. "In 45 Minuten schafft man die Strecke nicht", meint der Angeklagte. Doch er hat nicht mit der Ortskenntnis der Richterin gerechnet. "Ich habe Verwandtschaft in dieser Gegend und ich weiß genau, dass sich das leicht ausgehen kann", kontert sie.
Diversion abgelehnt
"Nicht über die Tangente, wenn man 80 fährt", versucht der 60-Jährige noch lachend zu entkräften. Doch die Vorsitzende hat genug gehört. Ein letztes Mal versucht sie dem Angeklagten die Gelegenheit zu einem Geständnis zu geben: "Wenn Sie die Verantwortung übernehmen, würde statt einer Verurteilung eine Diversion infrage kommen. Dann wären Sie nicht vorbestraft."
Da fällt dem Lkw-Fahrer plötzlich ein: "Ok, ich war es. Sie sind zu langsam vor mir gefahren." Sogar zu einer knappen Entschuldigung bei der Familie lässt er sich von der Richterin überreden. Doch als ihm die Diversion schließlich gegen Bezahlung eines Bußgeldes von 980 Euro angeboten wird, vergeht dem 60-Jährigen das Lachen. "Das ist zu viel. Für so etwas ist die Strafe zu hoch", überlegt er es sich noch einmal anders.
Daher wird der Mann zu 4 Monaten bedingter Haft - und zum Ersatz der Verfahrenskosten - verurteilt. Nicht rechtskräftig.
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